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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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dunklen Haaren klebten dort, versetzt mit einigen kräftigen Spritzern Blut. Auch auf den Decksplanken fanden sich Blutspuren. Der Magister stieß hörbar Luft durch die Zähne. »Der Bursche muss gehörig dagegen geschmettert sein, ich ahne nichts Gutes.«
    »Ich auch nicht«, murmelte Vitus. »He, Dunc, kannst du mich erkennen?«
    »Ja-jaaa, Sir.«
    »Gut. Darf ich deine Verletzung einmal untersuchen?« Vitus drehte den Kopf behutsam in die Sonne. Es war nicht viel zu sehen. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Doch als er die Haare auseinander strich, bemerkte er eine blutverkrustete Platzwunde. Er befühlte sie, betastete sie, und dann hatte er die Gewissheit, dass seine Befürchtung stimmte: Duncs Schädeldecke war eingedrückt, nicht übermäßig, aber doch so deutlich, dass ein Biegungsbruch angenommen werden musste. Vermutlich saß zudem ein Bluterguss unter dem Schädeldach, der wiederum der Grund für Duncs Gleichgewichtsstörungen sein mochte.
    »Nun, was diagnostiziert Ihr, Cirurgicus?« Hall war, so schnell ihn seine alten Beine trugen, herbeigeeilt und stand nun atemlos vor Vitus.
    »So wie es aussieht, Impressionsfraktur der Kalotte, dazu wohl auch ein intrakranielles Hämatom, Sir. Doch verzeiht, ich will mich nicht in Eure Belange einmischen. Ihr seid der Arzt, und ich bin nur ein Passagier.«
    »Unsinn!« Hall bekam langsam wieder Luft. »Ihr wisst, wie sehr ich Euer Urteil schätze. Dennoch, wenn Ihr erlaubt, sehe ich mir den Mann einmal selbst an. Wie ist dein Name,
Falcon

    »Er heißt Dunc, Sir. Duncan Rider«, antwortete Pint für den Verletzten.
    »Schön, Dunc. Steh einmal auf und komm auf mich zu.«
    Dunc erhob sich mühsam und bewegte sich leicht schwankend auf den Arzt zu.
    »Schön, schön. Du kannst dich wieder setzen.«
    Hall untersuchte im Folgenden das Trauma auf dem Kopf, registrierte, wie schon Vitus zuvor, die Einbuchtung des Schädeldachs, prüfte sodann die Nasenlöcher und die Ohren auf austretendes Blut, stellte nichts fest und richtete sich schließlich mühsam wieder auf. »Sag, Dunc, siehst du mich doppelt?«
    »N-nein, Sir.«
    »Schön, schön, hast du Schleier vor den Augen?«
    »N-nein, Sir.«
    »Dunkle Flecken oder Ähnliches?«
    »N-nein, Sir.«
    »Aber das Geradeausgehen fällt dir schwer«, sprach Hall mehr zu sich selbst. Er nahm Vitus beiseite. »Wie nicht anders zu erwarten, hattet Ihr mit Eurer Diagnose Recht, Cirurgicus, ich bin in allen Punkten Eurer Ansicht. Ich denke, der Mann muss trepaniert werden.« Halls Stimme klang jetzt unglücklich, und Vitus sollte auch gleich erfahren, warum: »Das Problem ist nur, mein chirurgisches Instrumentarium ist begrenzt. Ich besitze keine Trepane und auch keine Trephinen für die Schädelöffnung. Oder haltet Ihr es für vertretbar, den Mann zunächst in diesem Zustand zu belassen?«
    Vitus schüttelte energisch den Kopf. »Auf keinen Fall, Doktor. Wer weiß, was das von uns beiden vermutete Hämatom noch alles anrichtet? Es drückt in jedem Fall auf das Gehirn, was bleibende Schäden nach sich ziehen kann, erst recht, wenn es sich noch vergrößern sollte.«
    »Eine grässliche Situation, einfach grässlich!«, nuschelte der alte Arzt unglücklich. Das Wort »grässlich« hörte sich dabei an wie »gräfflisch«.
    »Ich stimme Euch zu. Wir müssen etwas unternehmen. Mein Instrumentarium ist auch nicht gerade üppig, aber ich habe drei unterschiedlich große Trepane in meinem Koffer. Ich denke, der mittlere könnte zur Anwendung kommen. Selbstverständlich stelle ich ihn Euch gern zur Verfügung.«
    »Ahem, äh … ja.«
    Vitus bemerkte die Unsicherheit des alten Mannes. »Wenn Ihr gestattet, Sir, lasse ich alles vorbereiten.« Er schaute sich um und bemerkte einen
Falcon
, der, wie eine ganze Reihe anderer, scheinbar zufällig in der Nähe beschäftigt war. »Wie ist dein Name, Mann?«
    »Arch, Sir.«
    »Gut, Arch. Lauf zum Kommandanten und melde ihm, dass Dunc einen Unfall hatte und ihm deshalb der Schädel geöffnet werden muss. Die Operation wird hier an Deck erfolgen.«
    »Aye, aye, Sir. Bin schon unterwegs.«
    Als Taggart wenig später herbeischritt, nicht ohne einen schief stehenden Belegnagel an Steuerbord und einen herumstehenden Teertopf bemängelt zu haben, hatte Vitus Dunc bereits in die richtige Operationsposition bringen lassen. Der Verletzte saß auf Deck, den Rücken fest an die Kiste gebunden. Die Höhe der Kiste hatte Vitus so ausrichten lassen, dass Duncs Kopf halb über den Rand

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