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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ihm nicht seinen Degen abnehmen konnte. Es war ein herrliches Stück, aus blitzendem Damaszenerstahl, noch nie sah ich eine so gute Klinge.«
    Vitus riss die Augen auf. »Das muss die meine gewesen sein! Mein guter Degen! Ein persönliches Geschenk von Haffissis, dem Schmied.« Er erzählte, wie er an die Waffe gekommen war, und die
Falcons
waren voll des Bedauerns für ihn. Schließlich meinte Taggart:
    »Nehmt es nicht so schwer, Cirurgicus, die Hauptsache ist doch, Ihr lebt, nicht wahr?«
    »Ja, Sir«, antwortete Vitus leise. »Ich lebe, und auch der Magister und Enano leben, wir alle leben, aber … was ist mit ihr?«
    »Ich weiß schon, wen Ihr meint, aber glaubt mir, jeden Morgen geht die Sonne auf, und für jeden von uns hat sie ein paar Strahlen übrig. Auch für Euch.«
    Taggart klang sehr väterlich.

Der Schiffsarzt Doktor Hall
    »Wisst Ihr, Cirurgicus, ich mache mir keine Illusionen über meine Qualitäten als Arzt. Meine Kunst ist eher Durchschnitt, auch wenn ich in einem langen Leben schon den einen oder anderen Erfolg verbuchen konnte.«
     
    T aggart hatte am ersten Abend davon gesprochen, dass die Sonne für jedermann auf dieser Welt ein paar Strahlen übrig habe, aber sein aufmunterndes Wort zeigte nicht die gewünschte Wirkung: Auch an den folgenden Tagen hielt die düstere Stimmung bei Vitus an.
    Er hatte es sich zur Gewohnheit werden lassen, am Nachmittag für ein oder zwei Stunden in den Fockmars zu klettern und von dort oben, aus schwindelnder Höhe, Himmel, Meer und Schiff zu beobachten. Doch selbst der herrliche Ausblick auf die in den unterschiedlichsten Blau- und Grüntönen leuchtende See, auf die unter ihm dahingleitende
Falcon
mit ihren weiß geblähten Segeln, auf die schäumende Bugwelle, deren Höhe ein Zeichen dafür war, mit welcher Geschwindigkeit es der Heimat entgegenging – all das vermochte sein Gemüt nicht aufzuheitern.
    »Du darfst nicht immer an Arlette denken«, sprach der kleine Gelehrte, der auch an diesem Tag neben ihm saß, »lenk dich ab, versuch, auf andere Gedanken zu kommen. Tu irgendetwas, das dir Spaß macht. Warum liest du nicht im Werk
De morbis

    »Dafür ist das Wetter zu schön.«
    »Dann tu irgendetwas anderes. So wie du jetzt bist, so kenne ich dich gar nicht.«
    »Ich frage mich immer, wo ich Arlette noch suchen könnte. In Habana jedenfalls nicht.«
    »Hm. Und wer sagt dir, dass du in England mehr Glück hast? Wenn sie dorthin zurückgesegelt ist, hätte Taggart, der seit Monaten in der Karibik kreuzt, doch wahrscheinlich davon gehört.«
    Vitus blickte unglücklich. »Ich weiß auch nicht mehr, was ich denken soll.«
    »Denk nicht so viel, sag mir lieber, was das Gewusel da unten auf dem Hauptdeck zu bedeuten hat.« Der kleine Mann griff Halt suchend in die Webeleinen, lehnte sich weit aus dem Korb hinaus und blinzelte kurzsichtig. »Irgendwer taumelt da herum.«
    Vitus blickte hinab. »Du hast Recht. Da schwankt einer hin und her, als sei er betrunken. Ein paar andere stehen um ihn herum und wissen nicht, was sie machen sollen.«
    »Doktor Hall!«, erscholl da plötzlich ein Ruf unter ihnen. »Holt Doktor Hall, schnell!« Es war die Stimme von Dorsey. Eilige Schritte entfernten sich in Richtung Heck.
    »Komm, Magister!« Alle Trübsal schien bei Vitus wie weggeblasen. »Mal sehen, was dem Mann fehlt.« Gemeinsam hasteten sie die Wanten nach unten, wobei der kleine Gelehrte weit hinter Vitus zurückblieb, da er beim Klettern seinem Augenlicht nicht recht vertraute.
    An Deck ergriff Vitus die Initiative. Er winkte zwei Umstehende heran und befahl ihnen, den Taumelnden festzuhalten und auf eine stabile Kiste neben dem Beiboot zu setzen. »Wie ist dein Name, Mann?«, fragte er den einen.
    »Pint, Sir. Pint wie ein Pint Ale.« Pint war ein untersetzter Bursche, fast so breit wie lang, mit den Oberarmen eines Preisringers. »Un das is Muddy.« Er wies auf den anderen Mann, ebenfalls ein muskulöser Bursche, der gut im Saft stand.
    »Gut, Pint und Muddy, haltet den Mann weiter fest. Kann mir einer sagen, was hier passiert ist?«
    »Aye, Sir, ich, Sir«, antwortete Pint. »Also, Dunc, das is der Verletzte, Sir, Dunc also is über ’n aufgeschossenes Tau gestolpert, einfach so, un keiner weiß warum. Jedenfalls is er mit’m Kopp gegen den Vorsteven von unserm großen Beiboot geknallt. Da!« Er wies auf die Stelle.
    Vitus schritt, den Magister, der glücklich an Deck zurückgekehrt war, an seiner Seite, zu dem bezeichneten Punkt. Ein paar von Duncs

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