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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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mit dem Schädeldach bildete, widerborstig. Irgendwo am Rand der Bohrung musste es eine Unebenheit geben. Vitus nahm die Münze wieder heraus, fand eine winzige hervorstehende Zacke und beseitigte sie mit einem Dreikantschaber. Wenig später konnte er die Golddublone mit sanftem Druck genau in die Öffnung einpassen. Was er nicht zu hoffen gewagt hatte, trat ein: Sie saß so stramm, dass eine weitere Befestigung am Knochen nicht vonnöten war. Dazu kam, dass der Schädel, in seinem Bemühen zuzuwachsen, Wülste ausbilden würde, die das Goldstück wie ein Ring umspannten.
    »Das wär erst einmal geschafft.« Mit steifen Gliedern stieg er von der Kiste und schaute Dunc ins Gesicht. Der
Falcon
jedoch befand sich noch immer im Dämmerzustand. »Es scheint, als würde die einmalige Dosis durchaus hinreichen, Doktor.«
    »Ihr sagt es, Cirurgicus. Nehmt mein Kompliment entgegen: großartiger Eingriff!« Das Wort »großartiger« hörte sich dabei an wie »grofartischer«. »Wenn Ihr gestattet, nehme ich Euch das Nähen ab.« Hall klang munter, während er nun seinerseits auf die Kiste kletterte und, geschäftig vor sich hin summend, die Ligaturen setzte.
    »Das sieht nach guter Arbeit aus!« Die sonore Stimme von Taggart ließ alle aufschrecken. Er hatte sich unbemerkt vom Achterdeck nähern können, was unter normalen Umständen ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre. Die Ereignisse jedoch waren nicht normal; noch nie hatten die
Falcons
einem derartig schauerlichen Akt beigewohnt. Der Kommandant, dieses wohl wissend, hatte deshalb Gnade vor Recht ergehen lassen. Dennoch wurde Dorsey kreidebleich und setzte zu einer Meldung an, wurde aber unerwartet milde daran gehindert. »Wir wollen Dunc nicht stören. Wie es aussieht, hat er alles überstanden. Ist die Münze eingearbeitet, Doktor?«
    »Jawohl, Sir«, antwortete Hall, der gerade den letzten Stich setzte. »Alles ist gut verlaufen. Mit Glück und Gottes Segen kann Dunc in ein paar Tagen wieder springen wie ein junges Lamm.«
    »Das höre ich gern. Er wird fortan der Einzige unter meinen Männern sein, der Gold im Kopf hat.« Taggart verzog halbseitig sein Gesicht, was als Lächeln ausgelegt werden konnte, und fuhr fort: »Nehmt meinen ausdrücklichen Dank entgegen, Doktor, ich hätte nicht zu hoffen gewagt, dass Ihr, äh … nun, dass die Operation so glatt verläuft. Nochmals meinen Dank.«
    »Sir, ich …«, Hall wollte etwas einwenden, doch der Kommandant winkte ab:
    »Schon recht, Ihr wollt mir sagen, dass Ihr nur Eure Pflicht getan habt. Ich nehme das zur Kenntnis. So weit, so gut. Und auch Euch und Euren Freunden«, er wandte sich Vitus zu, »schulde ich Dank für die Unterstützung. Gute Arbeit, Gentlemen, gute Arbeit.«
    Er grüßte lässig und stelzte zufrieden wieder nach achtern, seiner Kajüte entgegen.
     
    »Cirurgicus, schschscht, Cirurgicus? Schlaft Ihr?«
    »Nein, Doktor, ich schlafe nicht. Die Operation geht mir noch immer im Kopf herum.« Vitus lag, genauso wie Hall, wach in der gemeinsamen Kammer. Sie führten ihre Unterhaltung im Flüsterton, was aber gar nicht nötig war, denn der Magister und Enano schliefen tief und fest in ihren Kojen.
    »Eben darüber wollte ich mit Euch reden, Cirurgicus. Es lässt mir keine Ruhe, dass der Kommandant mich zu Unrecht gelobt hat.«
    »Aber wieso denn? Ihr habt doch das Eurige zum Gelingen des Eingriffs beigetragen.«
    »Das schon, aber ich habe den Kommandanten nicht korrigiert, als er annahm, ich hätte die eigentliche Operation vorgenommen. Immer wieder muss ich daran denken. Ich möchte mich bei Euch entschuldigen.«
    In der Tat war Vitus über das Verhalten von Hall verstimmt gewesen, fand es nun aber hochanständig von dem alten Arzt, dass er den Mut aufbrachte, die Dinge beim Namen zu nennen. »Nun, Sir, um der Wahrheit die Ehre zu geben: Er hat Euch auch wenig Gelegenheit dazu gelassen.«
    »Schon, schon, und trotzdem.« Hall wälzte sich unruhig auf seiner Schlafstatt. »Wisst Ihr, Cirurgicus, ich mache mir keine Illusionen über meine Qualitäten als Arzt. Meine Kunst ist eher Durchschnitt, auch wenn ich in einem langen Leben schon den einen oder anderen Erfolg verbuchen konnte.« Hall unterdrückte ein Hüsteln, bevor er fortfuhr: »Umso mehr tut es meiner alten Seele gut, wenn sie einmal vor versammelter Mannschaft gelobt wird. Tja, ich hatte einfach nicht den Mumm, die Sache richtig zu stellen.«
    »Macht Euch nicht so viele Gedanken, Sir. Der Wert eines Menschen sollte nicht nur an seinen Taten

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