Der Chirurg von Campodios
unwahrscheinlichen Umständen –, aber das alles spielt keine Rolle, bis Ihr nicht in der Lage seid, Eure Behauptungen zu beweisen. Ihr, Herr Advocatus, seid in der Beweispflicht, nicht wir!«
Vitus, der während der leidenschaftlichen Argumentation des kleinen Gelehrten mehrfach genickt hatte, sagte kalt: »Im Übrigen seid Ihr ab sofort von Euren Aufgaben als mein Rechtsbeistand entbunden. Sucht Euch einen anderen Mandanten.«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, raffte Hornstaple seine Papiere zusammen und ging.
Als der Advocatus fort war, musste Vitus erst einmal tief durchatmen. »Was ist nur in den Mann gefahren? So viel Häme, so viel Missgunst, so viel Unverschämtheit! Ich denke, es ist kein großer Schaden, ihn verloren zu haben. Aber dir, altes Unkraut, muss ich ein Kompliment machen. Deine Verteidigungsrede war großartig, eines Cicero würdig.«
»Ach was.« Der kleine Gelehrte nahm sich ein Stück Kaninchenpastete. »Vergleiche mich nicht mit Cicero. Der Mann war zwar ein exzellenter Jurist und Rhetoriker, aber er wurde ermordet, und sein Haupt und seine Hände wurden auf der
rostra
, der Rednertribüne von Rom, ausgestellt.«
Arlettes Hand fuhr zum Mund. »Wie schrecklich!«
»Ja, die Zeiten waren damals nicht besser als heute. Aber dadurch sollte man sich den Appetit nicht verderben lassen. Und durch solche Winkeladvokaten wie Hornstaple erst recht nicht. Die Kaninchenpastete zergeht auf der Zunge.«
»Ich kriege nichts mehr hinunter. Und ein wenig übel ist mir auch. Die letzten Tage waren so harmonisch, dass ich ein Ungeheuer wie Hornstaple nicht mehr gut vertrage.«
»Um Gottes willen, Liebste!« Vitus war aufgesprungen und überlegte laut. »Bleibe ganz ruhig, Liebste, ich werde sofort feststellen, woran es liegt.«
»Aber ich bin doch ganz ruhig.«
»Natürlich, natürlich. Dein Unwohlsein kann selbstverständlich von Hornstaples hanebüchenem Benehmen herrühren, nicht umsonst sagt der Volksmund, dass einem etwas ›auf den Magen schlägt‹, es kann aber auch an der Pastete liegen. Ich habe sie nicht gekostet, vielleicht ist sie schlecht?«
Der Magister schob, mit vollem Mund kauend, ein: »Beileibe nicht, sie ist köstlich, ganz köstlich.«
Arlette entzog Vitus, der schon dabei war, ihr den Puls zu fühlen, die Hand. »Liebster, mach nicht so viel Umstände, nur weil ich mich einmal nicht gut fühle.« Sie lächelte ihn an. »Für das Unwohlsein einer Frau gibt es andere, völlig natürliche Erklärungen.«
»Wie bitte? Ach! Ich Dummkopf! Das Kind, natürlich, das Kind.« Vitus fiel ein Stein vom Herzen. Es war das erste Mal gewesen, dass Arlette in seinem Beisein über Unwohlsein geklagt hatte. Selbst während der anstrengenden Kutschfahrt durch ganz Südengland hatte sie sich niemals beschwert. Umso besorgter war er jetzt. »Du musst dich schonen. Am besten, du legst dich gleich zu Bett.« Er rechnete damit, dass sie ihm energisch widersprechen würde, doch sie tat es nicht.
Und ein klein wenig beunruhigte ihn das.
Am Abend hatte sich das Unwohlsein zu einem starken Fieber ausgewachsen. Vitus saß besorgt am Rand des großen Pfostenbetts, in dem Arlette lag, und fühlte seiner Braut den Puls. Er war schnell und unruhig. Wie schon am Nachmittag entzog sie ihm ihre Hand. »Lass doch, Liebster, ein bisschen Fieber, was macht das schon.« Sie versuchte zu lächeln, doch es gelang ihr kaum.
»Fieber kann unzählige Ursachen haben«, überlegte er laut. »Die kommenden Stunden werden hoffentlich Aufschluss darüber geben, welche.«
»Ich werde in den kommenden Stunden schlafen. Vielleicht ist morgen schon alles wieder vorbei.« Sie bewegte sich unruhig. »Ich habe grässliche Kopfschmerzen, und das Licht ist so grell.«
Vitus schickte Hartford los, eine Schüssel mit Wasser zu holen, um kalte Kompressen auf der Stirn machen zu können. Er fand das Licht in Arlettes Schlafgemach keineswegs grell, löschte aber dennoch alle Lichtquellen bis auf zwei Öllampen links und rechts des Betts. Als Hartford mit der Wasserschüssel kam und Vitus sich ihm zuwandte, vernahm er plötzlich ein knöchern klingendes Geräusch. Es kam von Arlette, die mit den Zähnen klapperte. Ihr sei eiskalt, stöhnte sie und bemühte sich gleichzeitig um ein Lächeln.
Vitus tat die Schüssel fort, sorgenvoll die Stirn runzelnd. Dann sagte er bemüht forsch: »Das Fieber scheint nicht zu wissen, was es will, Liebste, mal ist es da, mal verlässt es dich. Ich jedenfalls bin da. Immer!« Er beugte sich
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