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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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bis er rechtmäßig für tot erklärt wurde. Und allein schon aus diesem Grund steht Euch der Titel ›Mylord‹ nicht zu – Sir.«
    Vitus zuckte mit den Schultern.
    »Aber selbst wenn eine diesbezügliche Urkunde ausgefertigt würde – ich wäre selbstverständlich dazu bereit, und es bedürfte nur einer beglaubigten Zeugenaussage von Lady Arlette –, selbst dann würde Euch der Titel nicht zustehen, da Ihr nicht zweifelsfrei ein Collincourt seid.« In Hornstaples Augen blitzte Genugtuung auf.
    »Ich ahne, worauf Ihr hinauswollt. Aber wart Ihr es nicht selbst, der mir auf ausdrücklichen Wunsch meines Onkels diesen Ring übergeben hat?« Vitus hielt den Finger hoch, an dem er den Wappenring der Collincourts trug. »Wart Ihr es nicht, durch den mein Onkel ausrichten ließ, ich möge den Ring zu allen Zeiten tragen?«
    »Sehr richtig!«, rief der kleine Gelehrte, der sich bislang mühsam zurückgehalten hatte. »Und habt Ihr nicht, Hornstaple, dadurch, dass Ihr Euch zum Überbringer des Rings machtet, stillschweigend die Familienzugehörigkeit des Vitus von Campodios anerkannt?«
    »Ahem, ja.« Der Advokatus wand sich. Mit diesem Argument hatte er nicht gerechnet. »Nun, äh … Herr Kollege, ich darf Euch versichern, dass ich schon seinerzeit erhebliche Zweifel an der Familienzugehörigkeit hegte … Dies ist die eine Seite, die andere ist, dass ich einem alten Mann nicht einen seiner letzten Wünsche verweigern wollte. Meine Handlung hat nichts mit der Tatsache zu tun, dass es Zweifel an der Identität gibt. Massive Zweifel, und solange diese nicht ausgeräumt sind, ist Vitus von Campodios kein Collincourt.«
    Vitus musste sich beherrschen, um nicht aufzuspringen und dem Advokaten an den Kragen zu gehen. Dass der Mann seine Zweifel vortrug, mochte noch angehen, dass er es aber mit einer so offensichtlichen Freude tat, war eine Unverschämtheit. »Was meint Ihr mit ›massiven Zweifeln‹?«
    Hornstaple ließ sich Zeit mit der Antwort. Er ordnete seine Papiere, an denen nichts zu ordnen war, und versetzte endlich: »Nun – Sir –, so zweifelsfrei, wie Jean Collincourt anno 56 ein Kind erwartete, so zweifelsfrei, wie sie an Bord der
Thunderbird
von einem Knaben entbunden wurde, so zweifelsfrei, wie sie anschließend die Hafenstadt Vigo landeinwärts mit unbekanntem Ziel verließ, so hochgradig unwahrscheinlich ist es, dass es sich bei ihrem Sohn um Euch handelte – Sir.«
    »Ihr vergesst das rote Damasttuch, mit dem Jean das letzte Mal gesehen wurde und in das ich gehüllt war, als man mich vor dem Kloster Campodios fand.«
    »Keineswegs – Sir.«
    »Und?«
    Hornstaple glich jetzt einer Spinne, die ihre Beute im Netz beobachtet, bevor sie sich auf sie stürzt. »Erstens einmal ist durch nichts bewiesen, dass Jean Collincourt es war, die das rote Damasttuch mit dem Säugling vor dem Klostertor ablegte. Es kann genauso gut eine andere Frau gewesen sein, eine, die Jean das Tuch entwendete, um das eigene Kind auszusetzen. In diesem Fall – Sir – wäret Ihr kein Collincourt.«
    »Das sind doch Haarspaltereien!«
    »So, meint Ihr?« Die Spinne zog das Netz enger. »Ich halte diese Möglichkeit für durchaus denkbar.«
    »Sie ist reine Theorie.«
    »Sie ist nicht weniger Theorie als die Annahme, dass Ihr ein Collincourt seid. Selbst wenn Jean ihr Kind nach Campodios brachte, um es dort abzulegen, hätte eine andere Mutter die Säuglinge noch immer vertauschen können. Auch in diesem Fall – Sir – wäret Ihr kein Collincourt.«
    »Nun ist es aber genug.« Arlettes Augen blitzten vor Zorn. »So wie Ihr kann nur ein Mann reden. Keine Mutter würde so etwas jemals tun.«
    »Ihr habt Recht, Mylady, ich bin keine Frau«, versetzte Hornstaple ungerührt. »Aber ich kann logisch denken. Drittens ist es ebenso möglich, dass Jeans Kind lange tot war, bevor ihr jemand das Tuch – immerhin ein sehr auffälliges und wertvolles Tuch, bei dem man sicher sein konnte, dass es gefunden werden würde –, bevor ihr also jemand das Damasttuch entwendete und den eigenen Säugling hineinlegte. Ich muss nicht mehr erwähnen – Sir –, dass Ihr auch unter diesen Umständen kein Collincourt wärt.«
    »Nein, das müsst Ihr nicht. Seid Ihr nun fertig? Dann würde ich Euch bitten zu gehen.«
    »Nein – Sir –, ich bin noch nicht fertig. Noch lange nicht. Ich darf annehmen, dass Ihr Euch noch an die Testamentseröffnung nach dem Hinscheiden Eures Onkels erinnert? Die Eröffnung fand ja erst nach Klärung einiger,

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