Der Clan
der so etwas mag. Mit bemerkenswert meine ich Leute, die das Geld haben, diese Sachen auch kaufen zu können. In jedem zweiten Haus in Greenwich hängt schließlich so etwas, nicht? Und in teuren Apartments auf der Park Avenue sieht man sie auch. Die betuchten Herrschaften im Wohlgefühl ihrer müßigen Existenz zusammen mit schlanken, ranken Pferden, und all das. Immerhin sind die Sachen ordentliche Kunst, kein Ramsch oder Kitsch, und allgemein anerkannt. Außerdem sind sie mehr als hunderte Jahre alt.«
»Langweiliges Zeug«, sagte Cindy.
»Na, na. Immerhin kein Kaufhausschund. Dein persönlicher Geschmack, Cindy, ist ohnehin so eklektisch, daß ich sicher bin, du irritierst die meisten Leute nur, die zu dir nach Hause kommen. Das wollen nämlich die meisten Leute nicht: irritiert werden; und >her-ausgefordert< werden wollen sie schon gar nicht.«
Er hatte ja recht. Traditionelle, konventionelle Genrestücke mit Pferden und Hunden und Jagd waren nicht umzubringen und verkauften sich jederzeit gut.
Dafür verkaufte sich eine Ausstellung amerikanischer »LeicaKunst« - Bilder von der gleichen fotografischen Genauigkeit wie die von Amanda Finch - nicht besonders.
Nur Amanda verkaufte sich weiterhin gut. Es wurde immer deutlicher, daß bei ihr die offene Erotik ihrer realistischen Akte das Entscheidende für den Kaufentschluß der Leute war. Sie malte jetzt öfter Teenagerakte, aber ausdrücklich stets nur mit Zustimmung der Eltern und meistens auch in deren Anwesenheit bei den Sitzungen. Auf einem Bild war ein Sechzehnjähriger mit seiner zwölfjährigen Schwester in einer Szene voller geschwisterlich-vertrauter Unschuld beim unbefangenen Dame-Spielen. Ohne jede Erklärung oder erkennbares Motiv, warum ein halbwüchsiger Junge mit seiner noch kindlichen Schwester Brettspiele im unbekleideten Zustand spielen sollte, regte das Sujet um so mehr Spekulationen und unterschwelliges Interesse an und verkaufte sich rasch zu einem beachtlich hohen Preis. Cindy wußte längst, daß Amanda einen untrüglichen Sinn dafür entwickelt hatte, was sich verkaufte. Also malte sie, was sich verkaufte, und falls dies denn die Aufgabe der künstlerischen Freiheit zugunsten des Geldes bedeuten sollte, dann konnte Amanda das nur mit Achselzucken beantworten. Es machte ihr nichts aus. Sie hatte nun einmal inzwischen einen leichten Ruf des Sensationellen und konnte damit gut leben. Davon sowieso.
Gelegentlich kam Marcus Linicombe nach Greenwich hinaus, besuchte aber das Perino-Haus selten. Statt dessen ging er vom Bahnhof direkt zu Amanda ins Atelier. Dorthin pflegte dann auch Cindy zu kommen. Dann gingen sie zu dritt zum Essen. Dreimal kämmen Cindy und Linicombe davon zurück und verbrachten anschließend ein kleines Stündchen in Amandas Schlafzimmer. Aber häufiger nahm Cindy anschließend den Zug in die Stadt und in die Galerie. Sie pflegte dort meistens mit Linicombe zum Essen zu gehen, gelegentlich auch mit Dietz Keyser oder einem Künstler, der gerade da war; die eine oder andere Nachmittagsstunde verging auch schon mal in Linicombes Apartment.
Sie sagte sich zwar ständig selbst, daß dies alles eigentlich ganz unmöglich sei. Eine Frau, die mit Angelo Perino verheiratet war, gab sich immer häufiger einem Marcus Linicombe hin? Nichts konnte Linicombe besser als Angelo. Außer, daß er da war, Angelo aber meistens nicht. Marcus war da, hatte Zeit und nahm sich Zeit.
Ihre Kinder sah er nur selten, erkundigte sich aber über sie und hörte geduldig zu, was sie von deren Taten und Reden zu erzählen wußte. Er gab ihr das Gefühl, daß es ihn interessierte, möglicherweise tat es das auch. Wenn Angelo kam und anwesend war, blieb er ruhig und gelassen und zeigte keinerlei Nervosität oder gar Schuldgefühle. Er unterhielt sich freundlich und höflich mit ihr, machte Konversation und erkundigte sich nach dem Stand der Dinge bei XB, ohne jemals den Eindruck zu machen, aufdringlich oder über das gewöhnliche Maß hinaus wißbegierig oder neugierig zu sein.
Das einzige, was Cindy an ihm nicht ausstehen konnte, war seine ewige Pfeife. Waren sie irgendwo, wo er Gelegenheit hatte, an ihr zu paffen, bat sie ihn stets, sich erst die Zähne putzen und den Mund zu spülen, ehe sie ihn näherkommen ließ. Aber der Gestank seines Pfeifentabaks hing in allen seinen Kleidern und war selbst auf seiner Haut ständig vorhanden. Er mußte ihn sich erst unter der Dusche wegspülen.
Aber er war ein hingebungsvoller und zärtlicher Liebhaber. Er
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