Der Clan
machte ihn erst in seinem Zimmer auf. Er konnte sich schon denken, von wem er war, obwohl er das Wappen nicht erkannte.
Ich bin gelegentlich deines Besuchs hier ganz zufällig ebenfalls in London. Ich weiß, daß du die Nacht nicht bei Betsy verbringen wirst. Solltest du also Lust auf einen Drink haben und auf ... nun, was auch immer, rufe mich im Savoy an. Ich bin ab neun in meiner Suite.
Anne
Sie erwartete ihn. Er umarmte und küßte sie. Sie trug ein schwarzes Jacquard-Neglige aus Spitze und hauchdünnem Nylon. Wieder, wie jedesmal, erregte ihn bereits ihr Parfüm mit seinem sehr subtilen, feinen und kaum spürbaren Duft. Sie tranken etwas und begaben sich dann ins Schlafzimmer.
Keine andere Frau, die er je gekannt hatte, war mit ihr vergleichbar. Sie war von einer Ausgewogenheit und Perfektion ohnegleichen.
Zuerst holte sie aus ihrer Handtasche eine kleine Phiole mit einer Essenz, die sie sich einrieb, bevor er mit seiner Zunge in ihrer Lie-besgrotte versank. Es war ein Aroma mit einem Anflug von Cognacgeschmack, obwohl die Essenz keinen oder jedenfalls kaum Alkohol enthielt. Irgendwo hatte er einmal gelesen - war es bei Philip Roth gewesen? -, daß es dem Lecken roher Leber vergleichbar sei, die Vagina einer Frau zu lecken: Man konnte es zwar tun, aber es sei schwierig zu sagen, ob der Geschmack angenehm sei. Er war jedenfalls froh, daß Anne die Cognac-Essenz (oder was immer es war) gekauft hatte.
Sie kam gleich zweimal. Das merkte er, als sie sich streckte und die Augen schloß. Aber sie stöhnte nicht dazu, sondern blieb stumm.
Mit unvergleichbarer Anmut entfernte sie danach den Lippenstift von ihrem Mund mit einem Papiertuch und beugte sich zu ihm hinab, um sich mit ihrer Zunge bei ihm zu revanchieren. Sie fuhr mit der Zungenspitze seinen Penisschaft entlang und knabberte ein wenig daran, bevor sie zu saugen begann. Er sah ihr zu und konnte sie nur bewundern: Sie machte es mit Zurückhaltung und Eleganz, als säße sie bei einem Essen an einer Festtafel. Sie ging mit ihm um, wie sie mit Messer und Gabel umgehen würde, kühl und vornehm, aber perfekt in der Etikette, und ohne daß es einen Moment lang Stil und Eleganz verloren hätte. Niemals war er auf diese Weise mit derartiger gelassener Perfektion und Eleganz bedient worden. Es war unendlich erotisch. Als er kam, geschah es dann auch in langen, tiefen Wellen von Kontraktionen. Sie nahm alles, was er ejakulierte, in ihrem Mund auf und spuckte es erst hinterher in ein Papiertuch, fuhr aber anschließend mit Mund und Zunge fort, seine letzten Tropfen abzulecken und sich die an ihren Lippen gebliebenen abzuwischen. Es geschah tatsächlich alles mit der Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit, mit der sie auch erlesen zu speisen gewohnt war.
Später saßen sie am Kamin, in dem zwar kein Feuer brannte, in dem aber ein großer Korb mit gelben Blumen stand. Sie waren beide immer noch nackt und tranken etwas.
»Einmal pro Jahr, Angelo?« fragte Anne. »Für mich war es das Warten wert. Für dich auch?«
»Mehr als das.«
»Einmal im Jahr ist nicht genug.«
»Das können wir ändern«, sagte er. »Die Notwendigkeit zur Diskretion ist allerdings .«
»... eine Last ja. Aber, wie du schon sagst, eben eine Notwendigkeit. Wir führen beide, vermute ich, gute Ehen. Aber trotzdem sind diese Begegnungen mir dir ... erinnerungswürdig. Zwischen zweien genieße ich es, mich daran zu erinnern.«
»Genauso wie ich.«
Es war das erste Mal, daß er sie nun eine Zigarette anzünden sah; eine Gauloise, diese groben, ungefilterten französischen, die für den amerikanischen Geschmack viel zu stark waren.
Sie fragte ihn: »Igor sagt, es sei dein brillantester Zug aller Zeiten gewesen, daß du XB Motors zur Aufnahme von vierhundertfünfundsiebzig Millionen Schulden veranlaßt hast. Ist das so?«
»Gott«, sagte Angelo, »wenn wir konkurrenzfähig bleiben wollen, müssen wir modernisieren.«
»Sicher. Aber das hat Igor nicht gemeint. Ich habe zum Beispiel ein Angebot für meine Aktien erhalten, für achthundertfünfzig Dollar pro Stück, und das ist ein gut Teil mehr als der Börsenwert. Ich habe keinen Zweifel, daß Betsy und Alicia das gleiche Angebot gemacht wurde, obwohl beide nichts darüber verlauten ließen.«
»Alicia hat es bekommen«, sagte Angelo. »Bei Betsy bin ich hingegen nicht so sicher. Falls ja, hätte sie es mir bestimmt gesagt. Aber sie hat nichts gesagt. Mir haben sie das Angebot natürlich nicht gemacht.«
»Aber offensichtlich auch
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