Der Clan
George’s, wo man ihm auf altbritische Weise gelegentlich den blanken Hintern poliert hatte - zuerst die Lehrer, später die der höheren Klassen, die ihre Pflicht erfüllten, das junge nachwachsende Gemüse zu disziplinieren und mit den üblichen Gebräuchen vertraut zu machen. Weder hatte er dort Lust gehabt, Rugby zu spielen oder Querfeldeinläufe zu absolvieren noch sich in einem Ruderboot zu quälen. Aber er hatte es getan - und anschließend unter eiskaltem Wasser geduscht. Nachdem er wußte, daß er später nach Paris in die Schule mußte, lernte er fleißig Französisch und errang darin auch hervorragende Noten. Genauso übrigens wie in Mathematik. Dagegen bekam er nur mangelhaft Noten in Ethik und Wirtschaftslehre.
An der Schule in Paris war die körperliche Züchtigung zwar nicht mehr üblich, aber die größte Strafe dort für ihn war die Langeweile. Er wußte alles Französisch, das er benötigte. Die Besonderheiten der Grammatik im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert, wie sie bei Racine und Montesquieu vorkamen, interessierten ihn hingegen herzlich wenig. Nachdem das in St. George’s vermittelte Geschichtswissen beispielsweise darauf hinausgelaufen war, in Napoleon ein Ungeheuer zu sehen, verblüffte es ihn doch einigermaßen, zu erfahren, daß er den Franzosen ganz im Gegenteil als großer Nationalheld galt. Bei seinen Lehrern fand er Hochachtung und Bewunderung für sein Talent mit Zahlen. Aber technische Fächer gab es an der ricole nicht. Hier lag das Schwergewicht auf den musischen Fächern. Man erwartete von ihm, daß er zeichnete und malte, ein Musikstück komponierte und ein Theaterstück schrieb - und das alles nach Art und Stil der großen französischen Klassiker früherer Jahrhunderte, samt Fußnoten und Anmerkungen über Art und Umfang des Einflusses und der Anregungen.
Das Schulgelände durfte zu keiner Zeit verlassen werden, außer in Begleitung von Lehrern zu Besuchen des Louvre oder des Invalidendoms oder anderer Museen und Denkmäler.
Loren war durchaus intelligent genug, um zu wissen, daß er eine hervorragende und exklusive Erziehung genoß. Andererseits sehnte er sich nach dem Tag, an dem sein Studium an einer amerikanischen Universität beginnen sollte, wo er die Freiheit genießen würde, die von amerikanischen Studenten so gerühmt wurde.
Die Internate, die seine Eltern für ihn ausgesucht hatten, hatten noch einen Vorzug, den er schätzte. In St. George’s hatten seine Schulkameraden seinen Vornamen Loren nicht lieber gemocht als er selbst, und ihn kurz Ren genannt. Die Franzosen sprachen Loren sowieso auf französisch aus, also Lor-ah, und hätten das ihrerseits zu Ron verkürzt, wenn er nicht dagegen protestiert hätte. Sie sollten ihn dann schon lieber Van nennen, bat er, die Kurzform von van Ludwig. Das gefiel ihnen dann tatsächlich, wenn sie es auch eher wie vin, Wein, aussprachen und manche Lehrer irrtümlich zu ihm Van van Ludwig sagten. Das wiederum führte zum Ärger seines Vaters dazu, daß er seinen Namen als Van Ludwig zu schreiben begann. Betsy amüsierte es eher, doch für sie war und blieb er trotz allem Loren der Vierte. Sie ließ es ihren Vater lieber nicht wissen, daß er seinen richtigen Vornamen verleugnete; oder abgelegt hatte; wie auch immer.
Van hatte das Glück, das Beste der Hardeman-Gene geerbt zu haben, außer ein paar weiteren guten Genen seines Vaters Max van Ludwig. Er sah außerordentlich gut aus, war groß und stattlich gebaut.
Mit vierzehn hatte er inzwischen dieselben Probleme wie alle Vierzehnjährigen: geschlechtsreif, aber sexuell behindert. Genauso wie sein Zimmergenosse Charles Bizier. Sie nahmen sich einander an, um das Problem zu lösen - wenn auch ausdrücklich mit der Versicherung, sich »normal heterosexuell« zu verhalten, sobald sich nur eine Gelegenheit dazu ergab.
Aber ihre sexuellen Abenteuer waren gefährlich. Alle Zimmer wurden von patrouillierenden Aufsehern überwacht, die jeden Augenblick erscheinen konnten. Der erste, der aufwachte, weil er etwa nachts hinaus mußte, um drei oder vier Uhr morgens, weckte deshalb den anderen, das war die Abmachung.
Was sie taten, war freilich durchaus »traditionell« an der Ecole St. Francis Xavier. Statt um drei oder vier Uhr morgens den ganzen Flur entlang bis zur Toilette zu laufen, pißten sie lieber zum Fenster hinaus. Das war allgemein üblich seit eh und je, so daß die Schlafzimmerfenster allgemein Pissoirs genannt wurden. Wer also zuerst aufwachte, weckte den anderen,
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