Der Clan
sich dann nach Belieben aus den zahllosen anderen kleinen heißen oder kalten Schalen mit würzigem Fleisch, Gemüse und Obst, die laufend serviert wurden.
Angelo kannte diese Art üppigen Mahls noch nicht, fand es aber sehr beeindruckend. Max empfahl ihnen, den milden holländischen Genever dazuzubestellen. Als Hauptgetränke aber hatten sie Burgunder und Chablis.
»Was haben Sie eigentlich für die Zukunft beruflich vor, Angelo?« fragte Betsy. »Jetzt, wo Sie nicht mehr in den Klauen der Hardemans sind?«
»Ach, ich habe verschiedene Möglichkeiten«, sagte Angelo. »Vor allem habe ich ja noch mein Aktienpaket von Bethlehem-Motors. Das ist an die sechs Millionen wert, schätzungsweise. Vielleicht verkaufe ich es.«
»Tun Sie das nicht«, sagte Betsy. »Aber wenn Sie verkaufen, verkaufen Sie es mir. Ich beschaffe mir das Geld schon irgendwie. Immerhin haben Sie dafür nur eine Million bezahlt.«
»Das wissen Sie also«, sagte Angelo trocken.
»Na ja, mein Vater hat sich schier verschluckt, als er es erfuhr. Nummer eins hat das unter der Hand gemacht, ohne Familienrat.«
»Weil er Geld für den Betsy brauchte. Ihr Vater hat ihm das Projekt mit aller Macht auszureden versucht, auch ganz konkret, indem er ihm Firmengeld blockieren wollte. Das war noch, bevor Nummer eins wieder die Füße auf den Boden bekam und die vollständige Kontrolle über die Firma zurückgewann.«
»Und Ihre anderen Möglichkeiten, Angelo?« mischte sich Max ein, offensichtlich bemüht, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben.
»Ich kann zur Konkurrenz gehen«, sagte Angelo. »Ich habe diverse Angebote.«
»Daß Sie das tun, kann ich mir nicht vorstellen«, meinte Betsy. »Trotz allem.«
»Ja, aber dann müßten wir in Detroit leben«, erklärte Cindy. »Und das kommt nun wirklich nicht in Frage.«
»Es eilt außerdem nicht mit einer Entscheidung«, sagte Angelo. »Wir kehren nicht eher nach Hause zurück, bevor nicht die ganzen Operationen gemacht sind, samt einer anschließenden Rekonvaleszenzzeit.«
»Wenn Sie so lange in Europa bleiben wollen«, sagte Max sofort, »dann besuchen Sie uns doch auf jeden Fall öfter. Sie sind selbstverständlich jederzeit willkommen.«
Doch Betsy ergänzte sofort sachlich und kühl: »Obwohl Max und ich dann vielleicht schon gar nicht mehr zusammen sind. Wir halten uns natürlich an die Vereinbarungen.«
Max korrigierte sie. »Ja, aber in den nächsten zwei oder drei Monaten wird das sicherlich noch nicht passieren.«
»Das stimmt auch wieder«, räumte Betsy ein. »In den nächsten zwei oder drei Monaten wohl nicht. Jedenfalls aber in absehbarer Zeit.«
Angelo lächelte. »Sie und allein? Das kann ich mir schlecht vorstellen. Entschuldigen Sie. Es geht mich natürlich nichts an.«
»Immerhin lieber mit Max als sonstwem«, sagte Betsy. »Auf solo lasse ich mich sowieso nicht ein.«
Als sie das Restaurant verließen, äußerte Cindy den Wunsch, den berühmt-berüchtigten Amsterdamer Rotlichtdistrikt zu sehen. Da es nur ein kurzer Fußweg dorthin war, führte Max sie. Die Rotlichtzone bestand aus zwei Parallelstraßen, dem Oudezjids Voorburg-wal und dem Oudezjids Achterburgwal, wo die Mädchen in ihrer typischen Berufskleidung - Regenmänteln - standen oder auf und ab schlenderten. Es gab auch viele, die sich in spärlicher Kleidung in Schaufenstern darboten.
Alles spielte sich mit überraschender Formalität ab. »Jeder vierte oder fünfte Mann, den ihr hier seht«, erklärte Max, »ist ein Zivilpolizist. Sie wachen über die strikte Einhaltung der Vorschriften. Die Mädchen dürfen ihre Freier nicht ansprechen und auch nicht durch Gesten auffordern. Die Initiative muß vom Freier ausgehen. Allerdings, fragt man eines der Mädchen, wie spät es ist, antwortet sie aller Wahrscheinlichkeit nach: >Fünfzig Guldenc.«
Weil sie zwei Paare waren, beachtete sie niemand besonders. Sie wurden für die üblichen neugierigen Touristen gehalten, die es hier immer gab.
Es begann leicht zu regnen. Die Mädchen spannten ihre Regenschirme auf oder zogen Regenkappen aus der Tasche. Keiner wäre es in den Sinn gekommen, wegen des Regens ihren Standplatz zu verlassen.
Max ging neben Cindy und Betsy dahinter mit Angelo. Betsy verlangsamte den Schritt, damit sie etwas hinter den anderen beiden zurückblieben.
»Ich hatte eigentlich gedacht«, sagte sie ganz sachlich, »Sie würden auf mich warten.«
»Wieso auf Sie warten?«
»Nun, Klein-Loren sollte eigentlich Ihr Sohn werden.«
»Aber Betsy!«
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