Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
für uns nicht besonders einträglich«, wandte Don João ein. »Und wenn das so ist, werden wir ganz von hier verschwinden.«
»Das ist Ihre Entscheidung«, stimmte Takeo höflich zu, obwohl er wusste, dass dies höchst unwahrscheinlich war.
Dann kam Don Carlo auf die Religion zu sprechen, bat um die Erlaubnis, in Hofu oder Hagi einen eigenen Tempel bauen zu dürfen, und fragte, ob die Einheimischen gemeinsam mit ihnen Deus anbeten könnten.
»Unser Volk hat freie Wahl in Glaubensfragen«, antwortete Takeo. »Ein besonderes Gebäude ist überflüssig. Wir haben Ihnen eine Unterkunft beschafft. Dortkönnen Sie einen Raum dafür benutzen. Doch ich rate Ihnen, die Sache diskret zu handhaben. Es gibt immer noch Vorurteile und die Ausübung Ihrer Religion muss Privatsache bleiben. Sie darf die Harmonie unserer Gesellschaft nicht stören.«
»Wir hatten gehofft, Lord Otori würde unsere Religion als die einzig wahre anerkennen«, sagte Don Carlo, und Takeo hörte, wie Madarens Tonfall beim Ãbersetzen leidenschaftlicher wurde.
Er lächelte, als wäre diese Vorstellung so absurd, dass man erst gar nicht darüber zu diskutieren brauchte. »So etwas gibt es nicht«, erwiderte er und merkte, wie sehr seine Worte sie verstörten.
»Sie sollten nach Hofu zurückkehren«, sagte er und überlegte, an Taku zu schreiben. »Ich werde dafür sorgen, dass Sie auf einem Schiff Terada Fumios reisen â er wird Sie begleiten. Ich werde fast den ganzen Sommer fort sein und meine Frau wird sich um unser Kind kümmern müssen. Es gibt keinen Anlass für Sie, länger in Hagi zu bleiben.«
»Ich werde die Gesellschaft von Lady Otori vermissen«, sagte Don Carlo. »Sie ist sowohl Schülerin als auch Lehrerin gewesen und war in beider Hinsicht ausgezeichnet.«
Kaede redete ihn in seiner eigenen Sprache an. Takeo staunte, wie flüssig ihr die seltsamen Laute über die Lippen gingen.
»Ich habe mich bei ihm bedankt und gesagt, auch er sei ein guter Lehrer gewesen, der hoffentlich weiter von uns lernen würde«, sagte sie zu Takeo.
»Er ist lieber Lehrer als Schüler, glaube ich«, flüsterte er, weil er nicht wollte, dass Madaren ihn hörte.
»Er glaubt oft, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein«, erwiderte Kaede genauso leise.
»Aber wo hält Lord Otori sich gleich nach der Geburt seines Kindes so lange auf?«, fragte Don João.
Die ganze Stadt wusste Bescheid, daher gab es keinen Grund, die Sache zu verheimlichen. »Ich werde den Kaiser besuchen.«
Die Ãbersetzung dieser Worte schien bei den Fremden für Bestürzung zu sorgen. Sie befragten Madaren ausführlich und warfen Takeo überraschte Blicke zu.
»Was sagen sie?« Er beugte sich zu Kaede und flüsterte ihr ins Ohr.
»Sie wussten nichts von der Existenz des Kaisers«, murmelte sie. »Sie haben angenommen, du wärst das, was sie einen König nennen.«
»Aller Acht Inseln?«
»Sie wissen nichts von den Acht Inseln â sie haben geglaubt, es gebe nur die Drei Länder.«
Madaren sagte zögernd: »Vergeben Sie mir, aber sie möchten wissen, ob sie die Erlaubnis erhalten könnten, Lord Otori zur Hauptstadt zu begleiten.«
»Sind sie wahnsinnig?« Er fügte rasch hinzu: »Ãbersetz das nicht! Sag ihnen, so etwas müsste Monate im Voraus organisiert werden. Diesmal können sie nicht mitkommen.«
Don João blieb hartnäckig. »Wir sind Abgesandte des Königs unseres Landes. Daher ist es nur recht und billig, dass uns erlaubt wird, unsere Beglaubigungendem Herrscher dieses Landes zu präsentieren, wenn es sich bei ihm nicht, wie wir irrtümlich glaubten, um Lord Otori handelt.«
Don Carlo war diplomatischer. »Vielleicht sollten wir erst einmal Briefe und Geschenke schicken. Könnte Lord Otori unser Botschafter sein?«
»Das wäre möglich«, sagte Takeo, insgeheim entschlossen, nichts Derartiges zu tun. Don João und Don Carlo mussten sich mit dieser vagen Ãbereinkunft zufriedengeben, und nachdem sie von Haruka einige Erfrischungen entgegengenommen hatten, verabschiedeten sie sich und versprachen, vor Takeos Aufbruch Briefe und Geschenke zu schicken.
»Erinnere sie daran, wie prunkvoll diese Geschenke sein müssen«, sagte Takeo zu Madaren, denn was die Fremden für angemessen hielten, entsprach meist in keiner Weise dem,
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