Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
Vom Netzwerk:
was üblich war. Er dachte erfreut, aber auch mit leisem Bedauern, an den Eindruck, den das Kirin machen würde. Kaede hatte befohlen, Ballen schönster Seide bereitzustellen, die schon in weiches Papier eingeschlagen worden waren, außerdem die hervorragendsten Beispiele hiesiger Keramik, darunter Teeschalen, Behältnisse aus Gold und schwarzem Lack und ein Landschaftsgemälde von Sesshu. Shigeko würde Pferde aus Maruyama mitbringen, Schriftrollen mit Blattgoldkalligrafie, eiserne Teekessel und Lampenständer, all das, um den Kaiser zu ehren und Reichtum und Rang der Otori zu verdeutlichen, den Umfang ihres Handels, die Schätze ihres Reiches. Takeo bezweifelte, dass die Fremden etwas zu bieten hatten, das es wertwäre, bis in die Hauptstadt mitgenommen zu werden, denn ihre Geschenke waren nicht einmal gut genug für einen Minister niederen Ranges.
    Er hatte es vorgezogen, in den Garten zu gehen, als die Fremden sich auf ihre steife, hölzerne Art verbeugt und verabschiedet hatten, und begleitete sie deshalb auch nicht bis zum Tor. Nach einem kurzen Augenblick merkte Takeo, dass Madaren ihm gefolgt war. Das erzürnte ihn, denn er war der Ansicht, ihr sehr deutlich gesagt zu haben, sie solle sich von ihm fernhalten, doch dann fiel ihm ein, wie eng sie den ganzen Winter mit seiner Frau verbunden gewesen und ein Stück weit mit dem Haushalt vertraut geworden war. Er wiederum hatte das Gefühl, ihr etwas schuldig zu sein. Takeo bedauerte seine Kühle sowie die Tatsache, dass er keine größere Zuneigung für sie empfand, zugleich aber durchfuhr ihn flüchtig eine gewisse Dankbarkeit, denn jeder, der sie jetzt beobachtete, würde den Eindruck haben, dass sie als Dolmetscherin und nicht als seine Verwandte zu ihm sprach.
    Sie rief ihn bei seinem Namen. Er wandte sich zu ihr um, und da sie offenbar kein Wort mehr hervorbringen konnte, versuchte er, freundlich zu sein, und sagte: »Was kann ich für dich tun? Gibt es noch etwas, das du brauchst? Fehlt dir Geld?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Â»Soll ich eine Heirat für dich in die Wege leiten? Ich fände bestimmt einen passenden Kaufmann oder Händler. Dann hättest du dein eigenes Geschäft und deine eigene Familie.«
    Â»All das interessiert mich nicht«, erwiderte sie. »Don João braucht mich. Ich kann ihn nicht verlassen.«
    Er glaubte, sie würde sich bei ihm bedanken, und war erstaunt, als sie dies nicht tat. Stattdessen sprach sie unvermittelt und stockend. »Ich habe einen großen Wunsch. Es ist etwas, das ich nur von dir bekommen kann.«
    Er zog leicht die Augenbrauen hoch und wartete darauf, dass sie fortfuhr.
    Â»Tomasu«, sagte sie und hatte plötzlich Tränen in den Augen. »Ich weiß, dass du dich nicht ganz von Gott abgewandt hast. Sag mir bitte, dass du immer noch glaubst.«
    Â»Ich glaube nicht mehr«, sagte er gelassen. »Was ich vorhin gesagt habe, meine ich ernst: Es gibt keine einzig wahre Religion.«
    Â»Als du diese schrecklichen Worte ausgesprochen hast, hat Gott mir eine Vision geschickt.« Die Tränen liefen ihr über die Wangen. An ihrer Verzweiflung und Ernsthaftigkeit gab es keinen Zweifel. »Ich habe dich in der Hölle brennen sehen. Die Flammen haben dich verzehrt. Genau das erwartet dich nach dem Tod, wenn du dich Gott nicht wieder zuwendest.«
    Takeo erinnerte sich an das, was er während des schlimmen, vom Gift verursachten Fiebers gesehen hatte. Das Fieber hatte ihn bis an die Schwelle zum Jenseits gebracht. Er glaubte an nichts, damit sein Volk glauben konnte, was es wollte. Von diesem Grundsatz würde er niemals abweichen.
    Â»Madaren«, sagte er freundlich. »Erzähl mir nichtsvon diesen Dingen. Ich verbiete dir, jemals wieder damit an mich heranzutreten.«
    Â»Aber dein ewiges Leben steht auf dem Spiel. Deine Seele. Es ist meine Pflicht, dich zu retten. Glaubst du, ich täte das einfach nur so? Sieh nur, wie ich zittere! Es erschreckt mich zutiefst, dir all dies zu sagen. Aber ich muss!«
    Â»Ich lebe hier, in dieser Welt«, sagte er. Er zeigte auf den Garten, der in der Schönheit des Frühlings erblüht war. »Reicht das etwa nicht? Diese Welt, in die wir geboren werden und in der wir sterben, um mit Körper und Seele wieder in den großen Kreislauf mit seinen Jahreszeiten des Lebens und des Todes einzutreten? Das ist mir Wunder genug.«
    Â»Aber Gott hat die Welt erschaffen«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher