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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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das Zimmer verließ.
    Maya wusste, dass ihr kaum Zeit blieb, um einen Beschluss zu fassen. Man würde sie ganz bestimmt versteckt transportieren, vermutlich mit gefesselten Händen. Zenkos Wachen könnte sie überlisten, aber Akio würde sie niemals entkommen. Sie ging im Zimmer auf und ab, obwohl es winzig war. Es wurde immer heißer. Sie war hungrig und müde. Und als sie gedankenlos umherlief, verfiel sie in einen Tagtraum und erblickte Miki in der Gasse hinter dem Haus. Sie wurde schlagartig wach. Das war sehr gut möglich, denn Shizuka hatte Mikibestimmt mitgebracht. Sobald sie von Takus Tod erfahren hatten, waren sie nach Hofu gekommen, um sie zu suchen. Miki war draußen. Sie würden gemeinsam nach Hagi zurückkehren. Sie würden heimkehren.
    Sie zögerte keine weitere Sekunde, nahm die Gestalt der Katze an und sprang durch die Wände.
    Auf der Veranda versuchte eine Frau, mit einem Besen nach ihr zu schlagen, als sie vorbeirannte. Sie flitzte über den Hof, ohne sich zu verbergen, aber auf dem Weg zur Außenmauer kam sie an Hisaos Werkstatt vorbei und spürte seine Anwesenheit.
    Er darf mich nicht sehen. Er wird mich nie gehen lassen.
    Das hintere Tor stand offen und sie hörte näher kommendes Pferdegetrappel auf der Straße. Sie schaute über die Schulter und sah Hisao, der mit der Waffe in der Hand aus dem Schuppen gerannt kam und den Hof mit Blicken absuchte. Er sah sie und rief: »Komm zurück!«
    Sie spürte die Macht seines Befehls und ihr Entschluss kam ins Wanken. Die Katze hörte ihren Herrn und sie würde ihn nie verlassen. Sie war schon draußen auf der Straße, aber die Pfoten der Katze waren schwer. Hisao rief noch einmal. Sie musste zu ihm zurückkehren.
    Aus den Augenwinkeln nahm Maya das Schimmern einer unsichtbaren Gestalt wahr. Wie ein Schwert sauste etwas über die Straße und stellte sich zwischen die Katze und Hisao. Es besaß eine unzerstörbare Schärfe, die das Band zwischen ihnen zerschnitt.
    Â»Maya«, hörte sie Miki rufen. »Maya!«, und in diesem Moment fand Maya die Kraft, ihre Gestalt zu verändern. Miki, nun sichtbar, stand neben ihr. Ihre Zwillingsschwester packte sie bei der Hand. Hisao stand im Tor und rief, aber seine Stimme war nur die eines Jungen. Maya musste nicht mehr auf ihn hören.
    Beide Mädchen wurden wieder unsichtbar, und als die Wachen Lord Arais um die Ecke trabten, flohen sie unentdeckt in das Gewirr der schmalen Gassen der Hafenstadt.

KAPITEL 44

    Takeos Abreise aus Miyako war noch feierlicher und sorgte für noch größere Aufregung als seine Ankunft, obwohl man sowohl überrascht als auch enttäuscht war, dass er schon so früh wieder aufbrach.
    Â»Ihr Erscheinen glich dem eines Kometen«, sagte Lord Kono, der gekommen war, um sich zu verabschieden. »Der schnell über den Sommerhimmel saust.«
    Takeo fragte sich, wie ernst dieses Kompliment gemeint war, denn die einfachen Menschen hielten einen Kometen für den Vorboten von Unheil und Hungersnot.
    Â»Ich fürchte, dass mich dringende Angelegenheiten zur Heimkehr veranlassen«, erwiderte er. Wahrscheinlich wusste Kono längst, worin sie bestanden, doch der Edelmann ließ sich weder etwas anmerken noch erwähnte er Takus Tod.
    Saga Hideki verlieh seinem Missvergnügen und Erstaunen über die plötzliche Abreise noch deutlicheren Ausdruck und drängte sie, länger zu bleiben. Und wenn Lord Otori wirklich unbedingt in die Drei Länder zurückkehren müsse, solle er wenigstens Lady Maruyama dalassen, damit sie die Freuden eines Sommers in der Hauptstadt genießen könne.
    Â»Es gibt noch so vieles, worüber wir reden müssen –ich würde gern wissen, wie Sie die Drei Länder regieren, was Ihren Wohlstand und Ihren Erfolg sichert und wie Sie mit den Barbaren umgehen.«
    Â»Wir nennen sie Fremde«, wagte Takeo ihn zu berichtigen.
    Saga hob die Augenbrauen. »Fremde, Barbaren, das ist alles eins.«
    Â»Lord Kono hat den Großteil des vergangenen Jahres bei uns verbracht. Er hat Ihnen bestimmt Bericht erstattet.«
    Â»Lord Otori.« Saga beugte sich vor und sprach vertraulich. »Lord Kono hat die meisten Informationen von Arai erhalten. Seither hat sich die Lage der Dinge geändert.«
    Â»Habe ich Lord Sagas Wort darauf?«
    Â»Selbstverständlich! Wir haben eine öffentliche und bindende Übereinkunft getroffen. Nur keine

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