Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
Absicht Yuki verfolgt hatte, und sie warf sich vor, diese nicht vereitelt zu haben. Nun hatte sie alles verloren: ihre Schwester, ihre Mutter, und sie träumte jede Nacht von ihrem Vater und befürchtete, ihn niemals wiederzusehen.
Zwei Tage nach Ishidas Aufbruch hörte Miki die Geräusche von Pferden und Männern auf der StraÃe. Ihre Mutter, Hana und die Jungen begaben sich auf die Reise.
Haruka und Chiyo stritten sich kurz, aber heftig über sie. Haruka meinte, Miki müsse noch einmal ihre Mutter sehen, bevor diese abreiste, und Chiyo erwiderte, dass Kaede im Augenblick sehr erschütterbar sei und dass man nicht wisse, wie sie reagieren würde.
»Aber es ist ihre Tochter!«, sagte Haruka entnervt.
»Was bedeutet ihr jetzt schon eine Tochter? Sie hat ihren Sohn verloren. Sie ist am Rande des Wahnsinns«, erwiderte Chiyo.
Miki schlich sich in die Küche und Haruka ergriffihre Hand. »Wir schauen dem Aufbruch deiner Mutter zu«, flüsterte sie. »Aber lass dich nicht blicken.«
Die StraÃen waren voller verunsicherter Menschen. Dank ihres scharfen Gehörs schnappte Miki Satzfetzen auf. Lady Otori verlasse die Stadt mit Lady Arai. Lord Otori sei im Osten getötet worden. Nein, nicht getötet, sondern in der Schlacht besiegt. Er müsse gemeinsam mit seiner Tochter ins Exil â¦
Miki sah zu, wie ihre Mutter und Hana aus dem Haus kamen und auf die Pferde stiegen, die vor dem Tor für sie bereitstanden. Sunaomi und Chikara wurden auf ihre Ponys gehoben. Männer mit den Wappen der Shirakawa und der Arai schlossen sich um sie zusammen. Als die Gruppe losritt, versuchte Miki, den Blick ihrer Mutter aufzufangen, aber Kaede starrte blicklos geradeaus. Sie erteilte kurz einen Befehl und zehn FuÃsoldaten, die bereits darauf vorbereitet waren, rannten in den Garten. Manche trugen brennende Fackeln, andere Strohbündel und trockenes Anmachholz. Sie steckten das Haus rasch und gründlich in Brand.
Chiyo rannte hinaus und versuchte sie aufzuhalten, schlug mit ihren schwachen Fäusten auf sie ein. Sie stieÃen sie grob beiseite. Sie warf sich auf die Veranda, umklammerte einen der Pfosten und schrie: »Dies ist Lord Shigerus Haus. Er wird euch niemals vergeben!«
Sie versuchten gar nicht erst sie fortzuschaffen, sondern häuften das Stroh rund um sie auf. Neben ihr schrie Haruka. Voller Entsetzen betrachtete Miki die Szene. Der Rauch in ihren Augen lieà die Tränen flieÃen, als der Nachtigallenboden zum letzten Mal sang, als die roten und goldenen Karpfen in den kochenden Teichen starben und die Kunstschätze und Aufzeichnungen des Haushalts schmolzen und zu Asche wurden. Das Haus, das Erdbeben, Flut und Krieg überstanden hatte, brannte vollständig nieder, und Chiyo, die sich geweigert hatte, es zu verlassen, starb in den Flammen.
Kaede ritt zum Schloss, ohne sich umzusehen. Die Menschenmenge folgte ihr und riss Haruka und Miki mit sich. Vor dem Schloss warteten Hanas übrige Männer, ebenfalls bewaffnet und mit Fackeln und Stroh. Der Hauptmann der Wache, Endo Teruo, dessen Vater das Schloss an Takeo übergeben hatte und bei der Steinbrücke von den Männern Arai Daiichis getötet worden war, kam an das Tor.
»Lady Otori«, sagte er. »Was geht hier vor? Ich bitte Sie, mir zuzuhören. Kommen Sie herein. Lassen Sie uns reden.«
»Ich bin nicht mehr Lady Otori«, erwiderte sie. »Ich bin Shirakawa Kaede. Ich bin eine Seishuu und ich kehre zu meinem Clan zurück. Doch bevor ich aufbreche, befehle ich Ihnen, das Schloss diesen Männern zu übergeben.«
»Ich weià nicht, was mit Ihnen los ist«, antwortete er. »Aber ich sterbe lieber, als das Schloss von Hagi in Abwesenheit Lord Otoris zu übergeben.«
Er zog sein Schwert. Kaede sah ihn voller Verachtung an. »Ich weiÃ, wie wenige Männer Sie noch haben«, sagte sie. »Ihnen sind nur die alten und ganz jungen geblieben. Und ich verfluche Sie, die Stadt Hagi und den ganzen Otoriclan.«
»Lady Arai«, wandte Endo sich an Hana. »Ich habe Ihren Mann gemeinsam mit meinen eigenen Söhnen in meinem Haus groÃgezogen. Erlauben Sie Ihren Männern nicht, dieses Verbrechen zu begehen!«
»Tötet ihn«, sagte Hana und ihre Männer stürmten los. Endo trug keine Rüstung und die Wachen waren unvorbereitet. Kaede hatte Recht: Es waren zum groÃen Teil Jungen. Ihre unvermittelten Tode versetzten die Menge
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