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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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war, müde und schmutzig vom Ritt, wollte aber erst ein Bad nehmen und etwas essen, nachdem er mit Takeo gesprochen hatte.
    Genauere Details gab es nicht, nur die schlimme Gewissheit, dass Muto Kenji tot war. Es gab weder einen Leichnam, den man beweinen konnte, noch einen Stein, der das Grab kennzeichnete. Mit einem so fernen und anonymen Tod umzugehen, fiel besonders schwer. Takeos Trauer war tief und wurde von seiner momentanen Verzweiflung verschlimmert. Aber da er das Gefühl hatte, sich in Zenkos Haus zusammenreißen zu müssen, konnte er sich Taku nicht wirklich anvertrauen. Er beschloss, am nächsten Morgen nach Hagi aufzubrechen und schnell zu reiten. Er hatte große Sehnsucht nach Kaede, wollte bei ihr sein und sich von ihr trösten lassen. Trotzdem konnte er seine übrigen Sorgen nicht beiseiteschieben und sich der Trauer hingeben. Einen der Söhne Zenkos musste er auf jeden Fall mitnehmen, am besten Sunaomi – der Junge müsste genauso schnell reiten wie er. Der jüngere Bruder käme mit Ishida und dem Kirin per Schiff nach, sobald sich das Wetter aufgeklart hatte. Taku würde sich darum kümmern. Und Kono? Vielleicht konnte Taku im Westen bleiben und ihn im Auge behalten. Wann würde er Nachricht von Fumio erhalten? Hatte dieser die geschmuggelten Feuerwaffen abfangen können? Und wenn nicht, wie lange bräuchten Takeos Feinde, um bei den Waffen gleichzuziehen?
    Erinnerungen an seinen Lehrer und an die Vergangenheit stürmten auf ihn ein. Er betrauerte nicht nur den Verlust Kenjis, sondern alles, was damit zusammenhing. Kenji war einer der engsten Freunde Shigerus gewesen – ein weiteres Band war durchschnitten worden.
    Dann stellte sich die Frage, was mit den Geiseln in Inuyama geschehen sollte. Sie mussten hingerichtet werden, allerdings gemäß den Gesetzen, und er oder ein Mitglied seiner Familie musste der Hinrichtung beiwohnen. Er würde Ais Mann Sonoda schreiben, ihm den Befehl schicken, und Ai müsste für Kaede einspringen, wovor seine zartbesaitete Schwägerin bestimmt zurückschrecken würde.
    Den Großteil der Nacht verbrachte er damit zu trauern, und beim ersten Morgengrauen rief er Minoru zu sich und diktierte den Brief an Sonoda und Ai. Doch bevor er ihn versiegelte, sprach er noch einmal mit Taku.
    Â»Ich merke, dass ich mich noch stärker als sonst davor scheue, die Hinrichtung dieser jungen Menschen zu befehlen. Haben wir irgendeine andere Wahl?«
    Â»Sie haben ein Attentat auf Ihre Familie verübt«, antwortete Taku. »Sie selbst haben die Gesetze und Strafen erlassen. Was wollen Sie sonst tun? Wenn man sie begnadigte und freiließe, würde das als Schwäche gedeutet werden. Und lange Kerkerhaft ist grausamer als ein rascher Tod.«
    Â»Aber wird ihr Tod zukünftige Überfälle verhindern?Wird er die Kikuta nicht noch weiter gegen mich und meine Familie aufbringen?«
    Â»Akios Fehde gegen Sie ist so oder so unerbittlich. Er wird nicht davon ablassen, solange Sie leben«, antwortete Taku und fügte hinzu: »Doch die Hinrichtungen werden Ihnen zwei weitere Attentäter vom Hals schaffen, und früher oder später werden sie keine willigen oder fähigen Leute mehr haben. Sie müssen es aussitzen – und überleben.«
    Â»Du klingst wie Kenji«, sagte Takeo. »Genauso realistisch und pragmatisch, wie er immer war. Ich nehme an, dass du jetzt die Führung der Familie übernimmst?«
    Â»Das werde ich mit meiner Mutter besprechen. Und natürlich mit meinem Bruder, wenn auch nur der Form halber. Zenko besitzt kaum Stammesfähigkeiten und trägt den Namen unseres Vaters, aber er ist der Ältere.«
    Takeo zog leicht die Augenbrauen hoch. Er hatte es vorgezogen, die Regelung der Stammesangelegenheiten Kenji und Taku zu überlassen, denn Kenji hatte er vollständig vertraut. Er fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, dass Zenko in einige ihrer Geheimnisse eingeweiht würde.
    Â»Dein Bruder hat mir vorgeschlagen, einen seiner Söhne zu adoptieren«, sagte er und legte eine für Taku unüberhörbare Überraschung in seine Stimme. »Sunaomi wird mich nach Hagi begleiten. Ich breche noch in dieser Stunde auf. Doch zuvor gibt es noch einiges zu besprechen. Gehen wir im Garten spazieren.«
    Â»Lord Otori«, erinnerte Minoru ihn. »Wollen Sie nicht erst den Brief beenden?«
    Â»Nein, nimm ihn mit. Ich werde die Sache noch einmal mit

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