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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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außerhalb der Drei Länder machtlos war.
    Unter Takeo und Kaedes Herrschaft waren überall in den Drei Ländern die Straßen ausgebaut worden und Botschaften gelangten rasch von einer großen Stadt zur anderen. Doch jenseits der Ostgrenze, wo das Gebirge der Hohen Wolken ein natürliches Hindernis bildete, erstreckte sich eine Wildnis bis zur freien Hafenstadt Akashi, dem Tor zu Miyako, der Hauptstadt des Kaisers. Zu Beginn des vierten Monats gingen in Akashi Gerüchte über den Tod Muto Kenjis um und durch einen Kaufmann, der in der Stadt Handel trieb und Muto Taku oft über die Geschehnisse im Osten informierte, gelangten sie nach Inuyama.
    Obwohl Taku damit gerechnet hatte, war er sowohl traurig als auch wütend über den Tod seines Großonkels, denn seinem Gefühl nach wäre es besser gewesen, wenn der alte Mann zu Hause friedlich entschlafen wäre. Die Kikuta könnten in Kenjis Mission ein Zeichen vonSchwäche sehen und dadurch ermutigt werden. Er betete darum, dass sein Großonkel rasch und nicht völlig umsonst gestorben war.
    Taku hielt es für das Beste, Takeo diese Nachricht persönlich zu überbringen, und auch Sonoda und Ai rieten ihm, sofort nach Hofu aufzubrechen, wo Takeo Regierungsgeschäfte regelte, während Kaede und die Kinder für den Sommer nach Hagi zurückgekehrt waren.
    Auch eine Entscheidung über das Schicksal der Geiseln musste offiziell von Takeo oder Kaede getroffen werden. Vermutlich würden sie jetzt hingerichtet werden, nur musste dies gemäß den Gesetzen geschehen und durfte nicht wie ein Racheakt wirken. Taku hatte Kenjis Zynismus geerbt und war Racheakten nicht abgeneigt, achtete aber Takeos Beharren auf Gerechtigkeit – zumindest auf den Anschein davon. Kenjis Tod hatte auch Folgen für den Stamm, dessen Oberhaupt er zwanzig Jahre lang gewesen war, und man musste in der Mutofamilie einen Nachfolger suchen. Takus älterer Bruder, Zenko, war der nächste männliche Verwandte, denn außer seiner Tochter Yuki hatte Kenji keine Kinder gehabt. Doch Zenko hatte den Namen seines Vaters angenommen, besaß keine Stammesfähigkeiten und war inzwischen ein Krieger höchsten Ranges, Oberhaupt des Clans der Arai und Lord von Kumamoto.
    Blieb also noch er selbst, in vieler Hinsicht der geeignetste Erbe, hochbegabt in Bezug auf den Einsatz der Unsichtbarkeit und des zweiten Ichs, von Kenji trainiert und geschätzt von Takeo, der ihm voll vertraute. Ein weiterer Grund, jetzt zu einer Reise durch die Drei Länderaufzubrechen, die Familien des Stammes zu besuchen, sich ihrer Treue und Unterstützung zu versichern und zu besprechen, wer das neue Oberhaupt werden sollte.
    Außerdem war Taku rastlos, denn er war den ganzen Winter in Inuyama gewesen. Seine Frau war lieb und nett, seine Kinder fröhlich, aber das häusliche Leben langweilte ihn. Er nahm ohne Bedauern Abschied von seiner Familie und brach trotz der betrüblichen Natur seiner Aufgabe am nächsten Tag voller Erleichterung und Vorfreude mit jenem Pferd auf, das Takeo ihm geschenkt hatte, als er noch ein Kind gewesen war: Es war der Sohn Rakus, dem inzwischen viele Pferdeschreine gewidmet waren, und hatte dessen fahlgraues Fell und pechschwarze Mähne und Schweif geerbt – eine Fellfärbung, die in den Drei Ländern mehr als alle anderen geschätzt wurde. Taku hatte ihm den Namen Ryume gegeben.
    Ryume hatte selbst viele Nachkommen gezeugt und war inzwischen alt und ehrwürdig, aber Taku hatte keines seiner Pferde je so gemocht wie dieses, das er selbst zugeritten hatte und das gemeinsam mit ihm aufgewachsen war.
    Es war nicht die beste Reisezeit, weil der Frühlingsregen eingesetzt hatte, aber die Nachricht duldete keinen Aufschub und überbringen konnte sie nur Taku selbst. Trotz des schlechten Wetters ritt er schnell und hoffte, Takeo abzufangen, bevor dieser Hofu verließ.
    Die Ankunft des Kirin und die Begegnung mit seiner Schwester hatten Takeo daran gehindert, wie gewünscht sofort nach Hagi aufzubrechen. Seine Neffen, Sunaomi und Chikara, waren reisefertig, doch ein schwerer Sturmverzögerte ihre Abreise um weitere zwei Tage. Daher hielt er sich noch in Hofu auf, als Muto Taku schließlich beim Haus seines älteren Bruders anlangte und darum bat, sofort mit Lord Otori reden zu dürfen. Dass er schlechte Neuigkeiten brachte, war offensichtlich. Er kam allein am späten Abend, als es schon fast dunkel

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