Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
Vom Netzwerk:
meiner Frau bereden, bevor ich mich endgültig entscheide. Wir schicken ihn aus Hagi ab.«
    Das frühe Licht war grau, der Morgen feucht und schwül und weiterer Regen kündigte sich an. Die Reise würde nass und ungemütlich werden, der tagelange Ritt die Schmerzen in seinen alten Wunden zweifellos verschlimmern. Takeo ahnte, dass Zenko, dem es nicht gefiel, wie nahe er Taku stand und dass er diesem alles anvertraute, ihn beobachtete. Die Erinnerung daran, dass auch Zenko von Geburt ein Muto und wie Taku mit den Kikuta verwandt war, ließ ihn auf der Hut sein. Er hoffte insgeheim, Zenkos Stammesfähigkeiten wären tatsächlich unerheblich, und erzählte Taku kurz von Lord Konos Botschaft und den geschmuggelten Waffen.
    Taku nahm diese Informationen schweigend zur Kenntnis. Er sagte nur: »Ich nehme an, Ihr Vertrauen in meinen Bruder ist dadurch erschüttert worden.«
    Â»Er hat mir erneut die Treue geschworen, aber wir wissen alle, angesichts von Ehrgeiz und Machtgier bedeuten Schwüre nichts. Dein Bruder hat mir immer die Schuld am Tod deines Vaters gegeben – eine Meinung, die der Kaiser und sein Hof inzwischen zu teilen scheinen. Ich traue weder deinem Bruder noch seiner Frau, aber solange ihre Söhne unter meiner Obhut stehen, wird sich ihr Ehrgeiz vermutlich in Grenzen halten. Er muss in Grenzen gehalten werden, denn sonst geraten wir in einen neuen Bürgerkrieg, oder ich muss deinem Bruder befehlen, sich das Leben zu nehmen. Das werde ich so lange vermeiden wie möglich. Aber ich muss dichbitten, noch verschwiegener als üblich zu sein und ihm nichts zu enthüllen, was ihm zum Vorteil gereichen könnte.«
    Takus Miene, sonst immer amüsiert-zynisch, hatte sich verdüstert.
    Â»Ich würde ihn eigenhändig töten, wenn er Sie verriete«, sagte er.
    Â»Nein!«, erwiderte Takeo sofort. »Dass ein Bruder seinen Bruder tötet, ist undenkbar. Die Tage der Blutfehden sind vorüber. Wie alle anderen, du eingeschlossen, lieber Taku, muss dein Bruder durch das Gesetz gezügelt werden.« Er verstummte kurz und sagte dann leise: »Verrate mir eines: Hat Kenji dir je von der Prophezeiung erzählt, laut der ich nur durch die Hand meines Sohnes sterben kann?«
    Â»Ja, nach einem der Attentate auf Sie hat er gesagt, die Prophezeiung könnte am Ende doch wahr sein – eigentlich hat er nicht wirklich an Prophezeiungen und Omen geglaubt. Damals hat er mir erzählt, was über Sie berichtet wird. Damit wollte er Ihre Furchtlosigkeit und die Tatsache erklären, dass Sie die Bedrohung durch einen Anschlag nicht lähmt oder wie die meisten Menschen zu blinder Grausamkeit veranlasst.«
    Â»Ich habe auch meine Schwierigkeiten mit der Prophezeiung«, erwiderte Takeo mit einem reumütigen Lächeln. »Und manchmal glaube ich an diese Worte und manchmal nicht. Es kam mir gelegen, daran zu glauben, weil ich dadurch alle meine Ziele erreichen konnte, ohne in ständiger Furcht zu leben. Doch inzwischen ist der Junge sechzehn, und das ist im Stamm ein Alter, in demman leicht jemanden töten kann. Also sitze ich in der Falle: Kann ich aufhören, daran zu glauben, wenn mir dieser Glaube nicht mehr passt?«
    Â»Man könnte den Jungen leicht loswerden«, schlug Taku vor.
    Â»Taku, hast du denn gar nichts aus meinen Bemühungen gelernt? Die Tage des heimlichen Mordens sind vorüber. Ich konnte deinen Bruder nicht töten, als ich ihm mitten in der Schlacht das Messer an die Kehle hielt. Und den Tod meines eigenen Sohnes könnte ich niemals befehlen.«
    Nach einer Weile fuhr Takeo fort: »Wer weiß sonst noch von dieser Prophezeiung?«
    Â»Als mir Kenji davon erzählt hat, war Ishida anwesend. Er hatte die Wunde behandelt und versucht, das Fieber zu lindern. Kenji hat auch deshalb davon erzählt, um Ishida, der jede Hoffnung aufgegeben hatte, zu versichern, dass Sie nicht sterben würden.«
    Â»Zenko weiß nichts davon?«
    Â»Er weiß, dass Sie einen Sohn haben – er war im Mutodorf, als die Nachricht von Yukis Tod eintraf. Wochenlang wurde über kaum etwas anderes gesprochen. Aber ich glaube, Kenji hat die Prophezeiung nur bei der Gelegenheit erwähnt, von der ich Ihnen gerade erzählt habe.«
    Â»Dann soll sie ein Geheimnis zwischen uns bleiben«, sagte Takeo.
    Der jüngere Mann nickte. »Wie von Ihnen vorgeschlagen, bleibe ich hier«, sagte er. »Ich behalte sie

Weitere Kostenlose Bücher