Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
Matsuda. »Mich erstaunt eher, dass man Ihnen erst jetzt droht.«
»Dafür gibt es meiner Meinung nach zwei Gründe. Zum einen hat der Kaiser einen neuen General, der bereits einen GroÃteil des Ostens kontrolliert und sich jetzt offenbar für stark genug hält, uns herausfordern zu können. Zum anderen hat Arai Zenko Kontakt zu Kono gehabt â auch dies angeblich wegen des Gutes. Ich vermute, Zenko hat sich als mein Nachfolger angedient.«
Der Zorn wallte wieder in ihm auf, und natürlich blieb dies auch Matsuda und Makoto nicht verborgen. Gleichzeitig spürte er, dass noch jemand in der Halle war und hinter Matsuda im Dunkel saÃ. Dieser Mann beugte sich nun vor und Takeo erkannte Miyoshi Gemba. Sie waren fast gleichaltrig, aber genau wie Makoto schien auch Gemba der Lauf der Zeit nichts anhaben zu können. Seine Haut war glatt, sein Körper in sich ruhend, entspannt, aber kraftvoll â tatsächlich fast wie ein Bär.
Dann passierte etwas mit dem Licht. Die Lampen flackerten und vor Takeo schnellte eine grelle Flamme in die Höhe. Sie blieb kurz in der Luft hängen und sauste dann wie eine Sternschnuppe in den dunklen Garten. Takeo hörte, wie sie zischend vom Regen gelöscht wurde. Â
Im gleichen Moment verflog sein Zorn.
»Gemba«, sagte er. »Ich freue mich, dich zu sehen! Aber hast du dich hier die ganze Zeit mit dem Lernen von Zaubertricks vergnügt?«
»Der Kaiser und sein Hofstaat sind äuÃerst abergläubisch«, antwortete Gemba. »Sie haben viele Wahrsager, Astrologen und Magier. Wenn ich dich begleite, können wir es mit ihren Tricks aufnehmen, das versichere ich dir.«
»Dann sollte ich also nach Miyako reisen?«
»Ja«, sagte Matsuda. »Sie müssen ihnen persönlich gegenübertreten. Sie werden den Kaiser für sich einnehmen.«
»Dafür bräuchte es mehr als Gembas Tricks. Er stellt eine Armee gegen mich auf. Ich fürchte, die einzige vernünftige Antwort ist die Gewalt.«
»In Miyako wird es einen Wettstreit geben«, sagte Gemba. »Und deshalb muss ich dich begleiten. Deine Tochter sollte auch mitkommen.«
»Shigeko? Nein, das wäre zu gefährlich.«
»Der Kaiser muss sie sehen und ihr seinen Segen und seine Zustimmung erteilen, wenn sie Ihre Nachfolgerin werden soll â und das muss sie werden.«
Matsuda sprach diese Worte mit der gleichen vollkommenen Gewissheit wie Gemba.
»Aber wollen wir nicht darüber diskutieren?«, fragte Takeo. »Wollen wir nicht lieber alle Möglichkeiten gegeneinander abwägen, um zu einem vernünftigen Beschluss zu kommen?«
»Wir können die Sache gern diskutieren«, sagteMatsuda. »Aber ich bin inzwischen in einem Alter, in dem mich lange Diskussionen ermüden. Ich weiÃ, zu welchem Beschluss wir am Ende gelangen. Lassen Sie uns die Sache abkürzen.«
»Ich muss auch meine Frau um Rat und Zustimmung bitten«, sagte Takeo. »AuÃerdem meine ältesten Gefolgsleute und meinen eigenen General, Kahei.«
»Kahei wäre für den Krieg«, sagte Gemba. »So ist er nun einmal. Aber du solltest den gewaltsamen Konflikt zunächst vermeiden, vor allem, wenn die Krieger aus dem Osten Feuerwaffen besitzen.«
Takeo spürte ein unbehagliches Prickeln auf der Kopfhaut und im Nacken. »WeiÃt du das genau?«
»Nein, aber ich gehe davon aus, dass sie bald welche haben.«
»Auch in diesem Fall ist Zenko der Verräter.«
»Takeo, alter Freund, wenn du eine neue Erfindung einführst, ob Waffe oder sonst etwas, wird ihr Geheimnis mit Sicherheit geraubt werden. So ist der Mensch.«
»Dann hätte ich also nicht zulassen dürfen, dass man die Feuerwaffe entwickelt?« Dies war etwas, das er oft bereut hatte.
»Nachdem man sie dir einmal vorgeführt hatte, musstest du sie unvermeidlich entwickeln, um deine Macht und Kontrolle zu festigen. Aber genauso unvermeidlich werden deine Feinde sie einsetzen, um dich zu stürzen.«
»Dann brauche ich bessere und mehr Feuerwaffen als sie! Ich sollte sie sofort angreifen und sie überrumpeln, bevor sie sich bewaffnen können.«
»Das wäre eine Strategie«, bemerkte Matsuda.
»Und ganz bestimmt das, was mein Bruder Kahei dir raten würde«, fügte Gemba hinzu.
»Makoto«, sagte Takeo. »Du bist sehr schweigsam. Was geht dir durch den Kopf?«
»Du weiÃt, ich kann
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