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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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dir nicht raten, Krieg zu führen.«
    Â»Ihr wollt mir also gar nichts raten? Ihr wollt nur hier sitzen und Gesänge anstimmen und mit Feuer herumzaubern, während all das zerstört wird, was ich mit so viel Mühe aufgebaut habe?« Er wurde sich seines Tonfalls bewusst und verstummte. Halb schämte er sich für seine Gereiztheit, halb befürchtete er, Gemba könnte wieder eine Flamme zaubern, um ihn zu beruhigen.
    Diesmal gab es keinen tollen Zaubertrick. Doch das tiefe Schweigen, das eintrat, hatte eine ähnlich starke Wirkung. Takeo spürte die einträchtige Ruhe und Klarheit der drei Männer und wusste, dass sie ihn rückhaltlos unterstützten, zugleich aber alles versuchten, um ihn an einer übereilten oder gefährlichen Tat zu hindern. Viele Menschen, mit denen er zu tun hatte, schmeichelten ihm und redeten ihm nach dem Munde. Diese Männer hier würden weder das eine noch das andere tun und er vertraute ihnen.
    Â»Wenn ich wirklich nach Miyako wollte, sollte ich dann sofort aufbrechen? Oder im Herbst, wenn das Wetter besser ist?«
    Â»Vielleicht im nächsten Jahr zur Schneeschmelze«, sagte Matsuda. Ȇberstürzen Sie nichts.«
    Â»Dann hätten sie neun Monate oder mehr, um eine Armee aufzustellen!«
    Â»Und du hättest neun Monate, um dich auf den Besuch vorzubereiten«, sagte Makoto. »Ich meine, du solltest mit dem größten Prunk reisen und die herrlichsten Geschenke mitführen.«
    Â»Und auch deine Tochter hätte Zeit, sich vorzubereiten«, sagte Gemba.
    Â»Sie ist dieses Jahr fünfzehn geworden«, sagte Takeo. »Sie ist alt genug, um verheiratet zu werden.«
    Dieser Gedanke verwirrte ihn, denn für ihn war sie immer noch ein Kind. Und wie sollte er je einen passenden Gatten für sie finden?
    Â»Das könnte auch von Vorteil für dich sein«, murmelte Makoto.
    Â»In der Zwischenzeit muss sie ihre Fertigkeit vervollkommnen, zu Pferd mit dem Bogen zu schießen«, erklärte Gemba.
    Â»Diese Fertigkeiten wird sie in der Hauptstadt gar nicht vorführen können«, erwiderte Takeo.
    Â»Abwarten«, sagte Gemba und lächelte so geheimnisvoll wie immer. »Keine Sorge«, fügte er hinzu, als bemerkte er Takeos neuerliche Verärgerung. »Ich werde dich begleiten und ihr wird kein Leid geschehen.«
    Und dann sagte er mit unvermitteltem Nachdruck: »Die Töchter, die du hast, verdienen größere Aufmerksamkeit von dir als die Söhne, die du nicht hast.«
    Das klang wie ein Tadel und es schmerzte, denn Takeo war stolz darauf, dass seine Töchter genau wie Söhne unterrichtet und ausgebildet worden waren, Shigeko als Kriegerin, die Zwillinge in den Stammesfähigkeiten. Er kniff die Lippen fest zusammen und verneigte sich nocheinmal vor Matsuda. Der alte Mann winkte ihn näher zu sich heran und nahm ihn in seine zerbrechlichen Arme. Er sagte nichts, doch Takeo wusste auf einmal, dass Matsuda sich von ihm verabschiedete, dass dies ihre letzte Begegnung wäre. Er wich ein Stückchen zurück, um dem alten Priester in die Augen schauen zu können. Matsuda ist der einzige Mensch, dem ich ins Gesicht sehen kann , dachte er. Der einzige Mensch, der nicht dem Kikutaschlaf erliegt.
    Als hätte Matsuda seine Gedanken gelesen, sagte er: »Ich lasse nicht nur einen, sondern zwei würdige – mehr als würdige – Nachfolger zurück. Vergeuden Sie keine Zeit damit, um mich zu trauern. Sie wissen alles, was Sie wissen müssen. Versuchen Sie einfach, dies nicht zu vergessen.«
    Er klang genauso liebevoll und ungeduldig zugleich wie damals, als er Takeo gelehrt hatte, das Schwert zu gebrauchen. Wieder musste Takeo blinzeln, um die Tränen zurückzuhalten.
    Auf dem Rückweg zum Gästehaus sagte Makoto leise: »Weißt du noch, wie du allein Oshima besucht hast, den Schlupfwinkel der Piraten? Gefährlicher kann Miyako auch nicht sein!«
    Â»Damals war ich ein furchtloser junger Mann. Ich glaubte, niemand könnte mich töten. Jetzt bin ich alt und verkrüppelt und habe viel mehr Ängste – nicht so sehr um mich, sondern um meine Kinder, meine Frau, mein Land und mein Volk, die ich schutzlos zurücklassen werde, wenn ich sterbe.«
    Â»Aus genau diesem Grund solltest du mit deiner Antwort warten. Schick schmeichelnde Botschaften, Geschenke und Versprechen. Du weißt doch, du hast stets zu übereilt gehandelt. Alles,

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