Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
Land auf. Die Westgrenzen waren vor Angriffen sicher. Shigeru beschloss, Kiyoshige und Harada vor Jahresende nach Chigawa zurückzusenden. Wenn er nur wüsste, was Sadamu plante, wie viele Männer er zusammenrief, welche Bündnisse er schmiedete ⦠aber Kiyoshige und Harada würden wenigstens beobachten, was jenseits der Grenze geschah, und vor einem bevorstehenden Angriff warnen. Er war nicht unzufrieden mit der Arbeit in diesem Jahr. Doch die schwerste Aufgabe, die vor ihm lag, würde vermutlich in Hagi auf ihn warten, wo seine Gegner die eigenen Angehörigen waren, sein Vater und die Onkel.
Als Erstes beschloss Shigeru, das Schloss unter seinen Einfluss zu bringen und am zweiten Tag nach seiner Rückkehr bat er um ein privates Treffen mit seinem Vater. Als er am frühen Nachmittag ankam, war seine Mutter bereits im Raum. Offensichtlich beabsichtigte sie zu bleiben und eigentlich war er froh darüber, denn er wusste, er konnte auf ihre Unterstützung gegenüber den Onkeln zählen. Er hatte angeordnet, dass sie nicht dabei sein sollten. Wenn sie erschienen, durften sie nicht eingelassen werden. Es war das erste Mal, dass er sich ihnen so offen widersetzte, doch er hatte noch mehr unangenehme Befehle für sie auf Lager und war sich seiner gesteigerten Popularität und Autorität sicher genug, um sich jetzt mit ihnen auseinanderzusetzen.
Sein Vater sah nicht gut aus, und als Shigeru sich nach seiner Gesundheit erkundigte, sagte er, der Rücken habe ihm wehgetan, er uriniere häufig, schlafe deshalb schlecht und habe wenig Appetit. Wein verschlechtere seine Symptome nur und er fürchte die Kälte. Trotz der Kohlenpfannen war es im Raum bereits eisig. Die Haut seines Vaters war gelblich und seine Hände zitterten, als er an den Amuletten zupfte, die er im Ãrmel trug. Ein besonderer Tee wurde gebracht, stark mit Baldrian gewürzt, der das Frösteln linderte, die Gedanken seines Vaters aber träge und wirr machte.
Shigeru überbrachte förmliche GrüÃe von den verwandten Familien und Vasallen und berichtete seinen Eltern dann das Wesentliche seiner Aktivitäten: die Kriegsvorbereitungen und das Abkommen mit den Arai und den Maruyama. Sein Vater sah beunruhigt aus, doch seine Mutter spendete unverhohlen Beifall.
»Ich sollte meine Brüder informieren«, sagte Shigemori.
»Nein, Vater, das ist genau, was ich nicht haben will. Alle diese Verhandlungen müssen so geheim wie möglich gehalten werden. Ich weiÃ, du glaubst, meine Onkel hätten dich in der Vergangenheit unterstützt, aber ich glaube, ihr Einfluss hat dem Clan nicht gutgetan. Jetzt, wo ich volljährig bin, besteht keine Notwendigkeit für sie, sich so sehr in unsere Angelegenheiten zu mischen.«
»Sie könnten weggeschickt werden«, bemerkte seine Mutter. »Beide haben Landgüter, die schrecklich vernachlässigt sind. Im Schloss leben zu viele Menschen âalle diese Kinder, die sie ständig zeugen. Shigeru hat Recht: Wir brauchen den Rat deiner Brüder nicht mehr. Du musst auf deinen Sohn hören.«
Shigeru war hocherfreut über diesen Ratschlag seiner Mutter und setzte ihn mit zögernder Erlaubnis seines Vaters sofort um. Er rief seine Onkel für den kommenden Tag zu sich und teilte ihnen seine Wünsche mit, lieà sich weder durch ihre Wut noch durch ihre Argumente umstimmen und bestand darauf, dass sie sich sofort nach Shimano und Mizutani zurückzogen.
Leider stellte sich heraus, dass es schwerer war, sie loszuwerden, als er und seine Mutter erwartet hatten. Es gab endlose Ausreden: Eine der Frauen stand gerade vor der Niederkunft, ein Kind erkrankte an einem gefährlichen Fieber, der Tag war ungünstig, der Fluss hatte Hochwasser, Pferde konnten nicht gefunden werden, es gab sogar ein kleines Erdbeben. Dann kam der Jahreswechsel, das Fest musste in Hagi gefeiert werden. Als Shigeru am ersten Tag des neuen Jahres am frühen Morgen vom Tempel in Tokoji zurückkehrte, fiel Schnee. Er fiel fast pausenlos sechs Wochen lang, schloss die Stadt vom übrigen Land ab und hinderte zugleich seine Onkel daran abzureisen.
KAPITEL 27Â
Schnee fiel auf die Drei Länder, färbte die Landschaft weiÃ, bedeckte die Wälder mit den schweren Blüten des Winters, dämpfte Geräusche, verdüsterte Farben und beendete alle Aktivitäten im Freien, vom Ackerbau bis zum Krieg.
Er fiel auf Inuyama, wo Iida Sadamu
Weitere Kostenlose Bücher