Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
Frühlingsgewand Glyzinien, auf der anderen war das Gewand auseinandergefallen, die Szene war zweideutiger.
Akane schockierte der Fächer nicht. Das Gemälde war schön ausgeführt und in seiner Stimmung angenehm erotisch. Zu jeder anderen Gelegenheit hätte siesich über dieses Geschenk gefreut. Der Künstler war bekannt und wurde weithin bewundert, die Fächer wurden begierig gesammelt, sie waren äuÃerst kostspielig. So etwas wollte sie zwar nicht von einem Mann wie Masahiro geschenkt bekommen, doch sie brachte es nicht über sich, den Fächer zurückzuschicken oder wegzuwerfen. Sie packte ihn wieder ein und sagte der Dienerin, sie solle ihn in den Vorratsraum bringen. Sie musste daran denken, dass sie einen solchen Schatz vielleicht eines Tages brauchte, wenn Shigeru genug von ihr hatte oder wenn er starb â¦
Dann griff sie nach dem Brief, der mit dem Geschenk gekommen war.
Masahiro äuÃerte in wohlformulierten Sätzen die Frage nach ihrer Gesundheit, den Wunsch, ihre Neuigkeiten zu hören, Kommentare über das raue Wetter und die groÃe Sorge um seine Kinder, weil es rundum so viel Krankheit gab, eine drängend ausgedrückte Hoffnung, bald die Freude einer Begegnung zu haben, und seine ehrerbietigsten und herzlichsten GrüÃe an seinen Neffen. Akane wies die Dienerin an, die Holzkohlenpfanne hinaus in den Garten zu bringen, hüllte sich in ein seidiges Pelzgewand, zerriss den Brief und warf ihn Fetzen um Fetzen in die Flammen. Der Garten schien voller Melancholie und Geister zu sein, Eisregen fiel in den Rauch. Akane fühlte sich verfolgt von ihrem toten Liebhaber und ihrer eigenen Hexerei. Die Talismane, mit denen sie Moes Leib verschlossen hatte, lagen wenige Schritte von ihr im gefrorenen Boden. Auch Hayato lag in der kalten Erde und mit ihm die Kinder, die sie zusammen hätten haben können.
Auch wenn von dem Brief nur noch Asche übrig war, vom Eisregen nicht zu unterscheiden, spürte sie, wie sich seine verschleierten heuchlerischen Phrasen um ihr Herz wanden.
Was wollte Lord Masahiro wirklich? Versuchten er und sein Bruder ernsthaft, Shigeru zu verdrängen? Oder waren seine Aktionen nur die eines böswilligen und neugierigen Mannes, dem wirkliche Macht vorenthalten wurde und der nun gern diese gehässigen Spiele trieb? Sie verstand seine Botschaft ohne Weiteres: Die Hinweise auf Neuigkeiten und Kinder waren nur zu klar. Sie wünschte, sie hätte die Jungen nie gesehen. Ihre Gesichter mit der glatten Kinderhaut und den klaren Augen stiegen vor ihr auf, so fordernd wie der Geist ihres Vaters. Sie hatten den Weg in ihr Herz gefunden, sie konnte sie jetzt nicht mehr opfern. Sie überlegte, ob sie Shigeru von den Forderungen seines Onkels erzählen konnte, doch sie fürchtete zu sehr, dass er dann die gute Meinung verlor, die er von ihr hatte â oder schlimmer, dass sie ihn ganz verlor. Wenn er sie verdächtigte, ihn auszuspionieren oder in irgendeiner Art zu kompromittieren, würde er sie nicht mehr aufsuchen, das wusste sie, und jetzt, wo seine Liebe und sein Verlangen nach ihr nachlieÃen ⦠Die ganze Stadt wüsste von ihrer Schande; nie würde sie sich davon erholen. Ich muss weiter gegen beide spielen, dachte sie. Es sollte nicht zu schwer sein â sie sind schlieÃlich nur Männer.
Als sie ins Haus zurückkam, schauderte sie, und es dauerte lange, bis ihr warm war.
Den Winter hindurch lieferte sie Masahiro Bruchstücke von Informationen, von denen sie glaubte, sie könntensein Interesse wachhalten. Einige erfand sie, andere beruhten ungefähr auf dem, was sie von Shigeru erfahren konnte. Nichts davon war ihrer Meinung nach von besonderer Bedeutung.
KAPITEL 28Â
Muto Shizuka verbrachte den Winter in der südlichen Stadt Kumamoto mit Arai Daiichi, dem ältesten Sohn des Clanlords. Sie hätte sich als öffentlich anerkannte Geliebte von Arai betrachten können, denn es hieÃ, er sei so vernarrt in sie, dass er ihr nichts abschlage, doch trotz ihres lebhaften, charmanten Auftretens war sie sowohl von Natur als auch durch Erziehung und Ausbildung verschlossen und zog es vor, die Beziehung geheim zu halten.
Ihr Vater war gestorben, als sie zwölf Jahre alt war, ihre Mutter lebte bei Verwandten in Kumamoto, einer Kaufmannsfamilie namens Kikuta, die bei den Arai vor allem als Geldverleiher bekannt waren. Ihr Vater war der älteste Sohn der Familie Muto aus
Weitere Kostenlose Bücher