Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
Yamagata gewesen und Shizuka hatte ein gutes Verhältnis zu seinen Angehörigen, sie schrieb ihnen fast jede Woche und schickte ihnen häufig Geschenke. Arai erzählte sie Geschichten über diese Familie, schmückte sie herzlich und liebevoll aus und unterhielt ihn mit ihren kleinen Fehden und Verrücktheiten, bis er fast das Gefühl hatte, unter ihnen zu leben. Er hatte keine Ahnung, dass die Kikuta und die Muto die beiden wichtigsten Familien des Stamms waren.
Wie die meisten der Kriegerklasse wusste Arai sehrwenig über die anderen Klassen, aus denen die Gesellschaft der Drei Länder bestand. Bauern und Landarbeiter bestellten das Land und versorgten die Kriegerfamilien mit Reis und anderen Grundnahrungsmitteln. Meistens waren sie einfach zu regieren, sie konnten nicht kämpfen und hatten sehr wenig Mut. Gelegentlich machte eine Hungersnot sie so verzweifelt, dass sie rebellierten, aber dann waren sie auch geschwächt und Unruhen wurden im Allgemeinen leicht erstickt. Kaufleute wurden noch mehr verachtet als die Landbevölkerung, da sie von anderer Leute Arbeit lebten und fett dabei wurden. Aber sie schienen immer unentbehrlicher zu werden, weil sie Nahrungsmittel, Wein, Ãl und Sojabohnenpaste herstellten und viele Luxusgüter beschafften, die das Leben schöner machten â elegante Kleider, lackierte Schachteln und Geschirr, Fächer und Schalen â und teure und exotische Gegenstände vom Festland oder von fernen Inseln im Süden importierten: Gewürze zum Kochen, Kräuter für Medikamente, Blattgold und Goldfäden, Farben, Parfüms und Weihrauch.
Arai war ein sinnlicher Mann mit gewaltigem Appetit für alles, was das Leben zu bieten hatte, und genug Geschmack, um das Beste zu verlangen. Er wusste, dass es den Stamm gab â hatte von ihm gehört â, aber er hielt ihn für eine Art Gilde, mehr nicht. Shizuka sagte ihm nie, dass sie in den Stamm geboren und mit den Meistern sowohl der Muto- wie der Kikutafamilien verwandt war, viele Fähigkeiten geerbt hatte und als Spionin nach Kumamoto geschickt worden war.
Zu dieser Zeit nutzte Iida Sadamu beide Familien als Spione und Mörder. Und da er entschlossen war, dieOtori zu bekämpfen, die seit jeher seine Feinde waren, und besonders den Mann, den er inzwischen mehr hasste als jeden anderen in den Drei Ländern, Otori Shigeru, beobachtete Iida durch die Familien vom Stamm genau alle Handlungen und Vorhaben der Seishuu im Westen.
In den ersten Frühlingstagen ersuchte Shizuka ihren Herrn um Erlaubnis, ihre Verwandten in Yamagata zu besuchen. Sie hätte das auch ohne Erlaubnis getan, aber es passte ihr gerade, Arai um etwas zu bitten und dann ihre Dankbarkeit für seine GroÃzügigkeit auszudrücken. Ihre Familie dort hatte sie um den Besuch gebeten. Sie hatte dem jüngeren Bruder ihres Vaters, Muto Kenji, viel zu berichten, dieser Onkel würde jetzt nach ihrem GroÃvater Meister der Familie werden, und sie wollte auch eine persönliche Angelegenheit mit ihm diskutieren, die sie mit einer Mischung aus Freude und Beklommenheit erfüllte.
Sie wählte die gleiche Strecke, die sie mit Arai nach Kibi gereist war, um Shigeru zu treffen, doch sie wusste schon, dass sie auf der südlicheren StraÃe durch Hofu und Noguchi zurückkehren sollte. Was der Zweck dieses Auftrags war, wusste sie nicht, doch sie vermutete, es ging um irgendeine geheime Kommunikation zwischen Iida und der Noguchifamilie, etwas so Geheimes, dass es den fähigsten Boten verlangte.
Sie ging direkt zum Haupthaus der Muto in Yamagata, wurde herzlich empfangen und hatte kaum Zeit, sich den Staub von den FüÃen zu waschen, da sagte schon Seiko, die Frau ihres Onkels: »Kenji will so bald wie möglich mit dir sprechen. Ich werde ihm sagen, dass du da bist.«
Shizuka folgte ihrer Tante ins Innere des Hauses. Sie gingen durch den Laden, wo eine fröhliche ältere Frau Sojabohnenpaste in Holzbehälter füllte und ein dünner Mann einen Abakus benutzte und Abrechnungen auf eine Schriftrolle schrieb. Der Geruch von gärenden Bohnen durchdrang das ganze Haus. Shizuka konnte sich die Bottiche in den Regalen hinter ihr vorstellen, in denen Steinklötze den Saft aus den Bohnen pressten.
»Könnte ich nur ein bisschen Reis haben?«, bat Shizuka. »Nach der Reise ist mir ein wenig übel. Wenn ich etwas esse, geht es vorbei.«
Seiko betrachtete sie scharf und
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