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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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plötzlich gegen dich wenden, wie er sich indich verliebt hat, besonders wenn er glaubt, du verrätst oder beleidigst ihn. Er ist ein ebenso großer Dummkopf wie jeder andere Krieger.«
    Â»Nein, er ist kein Dummkopf«, entgegnete sie. »Er ist hitzköpfig und vorschnell, aber sein Verstand ist scharfsinnig, und er ist sehr tapfer.«
    Â»Nun, dieser Flirt mit Otori Shigeru hat Sadamu sehr irritiert. Du solltest Arai warnen, er soll sich von den Otori trennen und deutlich seine Unterstützung der Tohan erklären, sonst ist er nächstes Jahr um diese Zeit ohne Hab und Gut, falls er noch lebt.«
    Â»Iida wird also dieses Jahr gegen die Otori kämpfen?«
    Â»Es kann jederzeit so weit sein. Er wird in den Osten des Mittleren Landes eindringen, sobald der Chigawa kein Hochwasser mehr führt – in drei oder vier Wochen, schätze ich. Dein Bericht im vergangenen Herbst über Shigerus Treffen mit Arai und Lady Maruyama hat Sadamu die nötige Entschuldigung gegeben, ohne Vorwarnung anzugreifen. Er wird erklären, die Otori hätten ihn provoziert und bereiteten selbst einen Angriff gegen die Tohan vor. Jeder weiß, dass Shigeru im vergangenen Jahr bewaffnete Truppen aufgestellt hat.« Kenji klopfte auf das Päckchen. »Aber dein Bericht hat Sadamu über den Westen und Süden nachdenken lassen. Er hat sich zuerst Shirakawa genähert und sich von ihm erhofft, dass er die Tohan durch einen Angriff im Rücken des Feindes unterstützt, aber Shirakawa will erst abwarten und sehen, woher der Wind bläst, bevor er sich entscheidet, und Iida braucht einen festen Verbündeten im Süden. Deshalb dieser Brief.« Kenji lächelte fast vor Vergnügen, doch in seiner Stimme lag ein untypischer bedauernder Ton. »Wie ich Verrat liebe!«, sagte er leise. »Besonders in der Kriegerklasse, in der so viel über Treue und Ehre geredet wird!«
    Â»Aber die Leute sagen, Lord Shigeru sei ein ehrenwerter Mann. Hast du ihn je getroffen?«
    Noch nie hatte sie erlebt, dass Kenji verlegen aussah. Jetzt runzelte er die Stirn und klopfte ungeduldig auf sein Bein. »Ja, das habe ich. Er hat etwas … Nun, es hat keinen Sinn, darüber zu reden.«
    Â»Ich habe Lord Otori geschworen, dass ich ihn nie verraten würde, aber ich habe es getan.« Shizuka wollte mehr sagen, wusste aber nicht, wie sie ihre Gefühle ausdrücken sollte, war sich noch nicht einmal sicher, was für Gefühle das waren. Sie wusste, dass Otori Shigeru durch diesen Brief, der auf dem Boden neben ihr lag, zum Scheitern verurteilt war, und das machte sie wider Willen traurig. Ihr hatte gefallen, was sie von ihm gesehen hatte; die Leute sprachen gut von ihm und sie wusste, wie viele in Yamagata und Chigawa sich von ihm eine sichere und friedliche Existenz erhofften. Unter den Tohan würde deren Leben wesentlich elender sein.
    Sie hatte seine Welt betreten und ihm einen Eid nach den Regeln dieser Welt geschworen, denn er sollte nicht wissen, dass sie vom Stamm war, der Eide nicht als bindend ansah, der nur sich selbst verantwortlich war. Ihr Verrat war vielleicht nicht wichtig, aber er beschämte sie dennoch. Sie hatte dem Stamm gehorcht, aber wenn sie ihren eigenen Neigungen gefolgt wäre …
    Kenji beobachtete sie scharf. »Lass dich nicht von den Kriegern verführen«, sagte er. »Ich weiß, ihre Anschauungen und ihr Leben haben eine gewisse Anziehungskraft: all dieses Gerede von Ehre und Charakter, Mut und Moral; die Clans, die alten Häuser mit ihren Wappen, den Schwertern und Helden. Die meisten Krieger sind Rüpel und Rabauken, gewöhnlich auch Feiglinge; und wer kein Feigling ist, hat sich in den Tod verliebt.«
    Â»Der Stamm hat mich zu ihnen geschickt, damit ich unter ihnen lebe«, sagte sie. »Bis zu einem gewissen Maß muss ich ihre Anschauungen übernehmen.«
    Â» Vortäuschen , sie zu übernehmen«, korrigierte Kenji sie. »Wir erwarten, dass du in jedem Fall zuerst dem Stamm gehorsam bist.«
    Â»Natürlich, Onkel, das steht immer außer Frage.«
    Â»Ich glaube dir. Aber du bist noch jung und in einer gefährlichen Situation. Ich weiß, du hast die Fähigkeit zu überleben, aber nur, wenn deine Gefühle nicht beteiligt sind.« Er hielt inne, dann sagte er: »Besonders wenn du von Arai ein Kind bekommst.«
    Sie war verblüfft. »Sieht man das? Ich habe noch niemand davon erzählt, noch

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