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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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stieg Shigeru ab und ging zum Eingang der Residenz.
    Beim Hineingehen sagte Endo: »Lord Kitano wird morgen kommen. Er bringt die Forderungen der Tohan.«
    Â»Ruft die Ältesten und meine Onkel zusammen«, erwiderte Shigeru. »Wir müssen unsere Position besprechen, bevor wir Kitano treffen. Meine Mutter wird der Zusammenkunft ebenfalls beiwohnen. Sagt mir, wenn alle da sind. Inzwischen muss ich mit meiner Frau reden.«
    Endo sprach mit einer der Dienerinnen und sie verschwand über die Veranda, kehrte nach wenigen Augenblicken zurück und flüsterte: »Lady Otori erwartet Sie, Lord Otori.«
    Der Raum war düster nach dem hellen Sonnenschein und Shigeru konnte Moes Gesichtsausdruck nicht deutlich erkennen, als sie sich bis zum Boden verneigte und ihn dann willkommen hieß – aber die steife Haltung und ihre geschraubte Ausdrucksweise verrieten ihm ihre Trauer um die Toten und, so vermutete er, ihre Enttäuschung, dass er nicht unter ihnen war. Er kniete sich vor sie und konnte jetzt ihre geröteten Augen und ihre Blässe sehen.
    Â»Es tut mir sehr leid«, sagte er. »Ich fürchte, Sie haben einen großen Verlust erlitten.«
    Â»Wenn Sie den Tod meines Vaters, all seiner Söhne, all unserer Kämpfer einen großen Verlust nennen – ja, dann stimmt es«, antwortete sie mit großer Bitterkeit. »Meine Ehe hat meine Familie an Sie gebunden, an Ihre Tollkühnheit und Torheit, dabei hätte sie besser daran getan, Kitano und Noguchi zu folgen. Unser Haus wurde zerstört. Unser Land wird uns genommen und Iidas Kriegern gegeben.«
    Â»Darüber muss noch verhandelt werden«, sagte Shigeru.
    Â»Welche Verhandlung bringt meine Familie zurück? Meine Mutter wird sich eher töten als Kushimoto verlassen. Alle sind tot außer mir. Sie haben die Yanagi zerstört.«
    Â»Ihr Vater war meinem Vater und mir treu. Ihre Familie gehörte nicht zu den Verrätern. Sie sollten stolz auf sie sein.«
    Sie hob den Blick und sah ihn an. »Sie haben auch einen großen Verlust erlitten«, sagte sie mit höhnischer Anteilnahme. »Ihre Geliebte ist tot.«
    Er hatte geglaubt, sie würde eine formale Beileidsbekundung zum Tod seines Vaters formulieren und erst nicht verstanden, was er hörte. Dann erkannte er ihren gewaltigen Hass auf ihn und ihren übermächtigen Wunsch, ihn zu verletzen.
    Â»Akane«, fuhr sie fort, »die Kurtisane. Sie hat einen alten Mann getötet und dann sich selbst. Offenbar, so gehen die Gerüchte, hat Masahiro sie besucht und ihr die Nachricht von Ihrem Tod mitgeteilt. Das muss sie um den Verstand gebracht haben.«
    Sie starrte ihn weiter fast triumphierend an. »Natürlich war Masahiro den ganzen Winter über mit ihr in Kontakt gewesen. Er muss häufig mit ihr geschlafen haben, während Sie weg waren.«
    Sein Zorn war so heftig, dass er nur den Wunsch hatte, sie zu töten. Er bekämpfte die rote Flut, die in seinen Armmuskeln und Händen brannte. Er spürte, wie sich seine Fäuste ballten und sein Gesicht sich unter grässlichem neuem Schmerz verzerrte. Akane war tot? Sie hatte ihn mit seinem eigenen Onkel betrogen? Beides schien gleichermaßen unglaublich und unerträglich.Dann erinnerte er sich an Geschichten über ihren früheren Liebhaber, Hayato, an den Klatsch in der Stadt, als der Mann auf Masahiros Befehl getötet, seine Kinder zum Tod bestimmt und dann verschont wurden dank, wie alle sagten, Akanes Eingreifen.
    Â»Sie müssen sehr müde sein«, sagte Moe im gleichen gekünstelten Ton. »Und ich sehe, dass Sie verwundet wurden. Lassen Sie mich einen Tee bereiten.«
    Er wusste, wenn er noch länger hierbliebe, würde er die Beherrschung verlieren. Abrupt stand er auf, sagte nichts mehr zu seiner Frau, streckte die Hand nach der Tür aus, zerriss beim Öffnen ihren Papierschirm und stürmte in den Garten. Die Mauer zwang ihn zum jähen Anhalten. Er schlug mit der Faust dagegen, als wollte er den Stein spalten, und Tränen schossen ihm aus den Augen.
    Shigeru schaute zum Meer jenseits der Bucht. Scharlachrote Azaleen leuchteten im Grün der gegenüberliegenden Küste. Die Wellen murmelten an der großen Kaimauer, ein leichter Wind kam vom Meer und trocknete die Tränen auf seinem Gesicht. Nach der ersten Verzweiflung weinte er nicht mehr und er spürte, wie sich seine Wut legte und zu etwas anderem, nicht weniger

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