Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
gemeldet.
»Du bist gerade rechtzeitig zurückgekehrt«, sagte sie. »Kitano wird jetzt täglich mit Iidas Friedensbedingungen erwartet. Deine Onkel sind als Regenten eingesetzt und du kannst sicher sein, dass sie deine Rückkehr nicht so freudig begrüÃen, wie sie sollten.«
»Ich gehe sofort zum Schloss«, sagte Shigeru, »und du musst mich begleiten.« Nach einem Moment fuhr er fort: »Mein Vater ist wie alle seine Krieger tapfer im Kampf gestorben. Wir wurden durch den Verrat der Noguchi besiegt. Aber Kitano ist nicht unschuldig, sein Schwanken hat auch zur Niederlage beigetragen.«
»Und genau das macht ihn jetzt für Iida als Verhandlungspartner akzeptabel«, bemerkte Ichiro. Seine Gefühle hatten den Appetit des Ãlteren nicht eingeschränkt. Shigeru sah, wie Ichiro sich gierig Reis und gesalzene Pflaumen nahm. Doch er empfand erneuten Respekt für das Wissen und die Urteilskraft seines Lehrers, erinnerte sich an seine besondere Aufmerksamkeit gegenüber Einzelheiten und seine gewissenhafte Beachtung der Wahrheit. Darüber hinaus wusste Shigeru, dass er Ichiro völlig vertrauen konnte.
»Du musst dich weigern, durch einen Verräter zu verhandeln«, sagte seine Mutter ärgerlich. »Du musstdeinen Onkeln entgegentreten und sofort die Führerschaft des Clans übernehmen.«
»Verzeihen Sie, wenn ich anderer Meinung bin, Lady Otori«, sagte Ichiro, »aber Lord Shigeru sollte sich darauf vorbereiten, nachgiebig zu sein. Es sind nicht die Weidenäste, die unter dem Schnee brechen. Die Otori sind in der Schlacht besiegt worden; egal, wer daran schuld war, das Ergebnis ist das gleiche. Iida wird gewaltige Forderungen stellen, gewaltiger als der schlimmste Schneesturm im Winter. Wenn wir nicht völlig gebrochen werden wollen, müssen wir uns darauf vorbereiten, uns zu biegen.«
Empört öffnete Lady Otori den Mund zum Widerspruch, doch Shigeru hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.
»Was wird er von uns fordern?«
»Das werden wir von Kitano erfahren. Ich fürchte, Iida wird Chigawa verlangen, die Silberminen, alle östlichen Bezirke und vielleicht sogar Yamagata.«
»Yamagata werden wir nie aufgeben«, rief Lady Otori.
»Und, auch wenn ich so etwas nicht gern sage, Ihre Abdankung, selbst Ihr Leben kann verlangt werden.« Ichiro sagte das sachlich, unpersönlich, als würde er eine juristische Angelegenheit besprechen, doch plötzlich schien ihn ein Hustenanfall zu überkommen und er wischte sich die Augen mit dem Ãrmel seines Gewands, wobei er kurz das Gesicht verbarg.
Lady Otori widersprach dieser Prognose nicht, sie saà schweigend mit niedergeschlagenen Augen und ernstem Gesicht da.
Shigeru sagte: »Mein Vater hat mir befohlen, mir nur dann das Leben zu nehmen, wenn Jato verloren wäre. Ich habe Jato bekommen wie durch ein Wunder. Deshalb muss ich den Wünschen meines Vaters gehorchen und leben, um Rache zu üben.«
»Du hast das Schwert bekommen?« Seine Mutter war so aufgeschreckt, dass sie wieder sprach. »Wo ist es?«
Shigeru wies auf die Stelle neben sich, wo es lag, der Griff getarnt, die Scheide geliehen.
»Das ist nicht Jato«, sagte sie.
»Ich werde es nicht ziehen, um es dir zu beweisen. Aber es ist Jato.«
Seine Mutter lächelte. »Dann haben wir nichts zu fürchten. Sie können dich nicht zum Abdanken zwingen, wenn du das Otorischwert in Händen hältst.«
Ichiro sagte: »Es wird berichtet, dass Iida Sadamu Sie persönlich hasst. Ihre Onkel könnten versucht sein, Sie ihm auszuliefern, zu ihrem eigenen Nutzen. Die Otoriarmee ist fast aufgelöst. Wir können uns nicht verteidigen. Sie werden in groÃer Gefahr sein. Sie müssen sehr vorsichtig vorgehen.«
»Habe ich irgendwelche Vorteile?«, fragte Shigeru.
»Sie sind der rechtmäÃige Erbe des Clans. Die Bevölkerung liebt sie und wird nicht so schnell aufhören, Sie zu unterstützen.«
»Und auch die Tohan haben schwere Verluste erlitten«, sagte Shigeru. »Sadamu ist wahrscheinlich nicht in der Lage, das Herz des Mittleren Landes anzugreifen oder Hagi zu belagern. Und vielleicht werden die Seishuu zu ihren Bündnisschwüren stehen und uns unterstützen.« Und vielleicht wird auch der Stamm Sadamus Ehrgeiz einschränken, überlegte er, doch er sprach nicht darüber.
»Nun, das ist besser, als ich dachte«, meinte
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