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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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dich nieder.«
    Takeshi war kaum bereit, da traf ihn Shigerus Stange an der rechten Schulter. Shigeru schlug härter zu als je zuvor, er konnte den Gedanken nicht unterdrücken: Das wird dir eine Lehre sein. Sein Bruder reagierte mit dem gleichen Zorn, wild schlug er zurück und überraschte Shigeru mit der Intensität des Angriffs. Er trat zur Seite und parierte die Schläge, aber jeder Hieb kam schneller und kräftiger als der letzte und jede Reaktion verstärkte nur Takeshis Wut.
    Shigeru glaubte nicht, dass sein Bruder ihn ernsthaft verletzen wollte, bis ein Schlag seine Deckung umging. Er duckte sich rechtzeitig, wusste aber, dass Takeshi mit aller Kraft auf seine Schläfe gezielt hatte, die von der Stange wie ein irdenes Geschirr zertrümmert worden wäre. Sein eigener Zorn entlud sich im Gegenschlag: Seine Stange traf Takeshi hart am Brustknochen, nahm ihm die Luft und als er sich keuchend vornüberbeugte, stieß Shigerus Stange ihm seitlich an den Hals. Takeshi fiel auf die Knie, die Stange entglitt seinen Händen.
    Â»Ich gebe auf«, sagte er mit einer Stimme, die vom Zorn gedämpft war.
    Â»Wenn du besser bist als ich, kannst du wählen, ob du dein Training fortsetzt oder nicht«, antwortete Shigeru. »Bis dahin gehorchst du mir.« Aber er dachte: So können wir nicht weitermachen, sonst töten wir uns noch.
    Kahei erbot sich, Takeshi nach Hause zu bringen. Mehrere Tage lang redeten die Brüder nicht miteinander. Ihre Mutter war entsetzt über Takeshis Verletzungen und unzufrieden mit Shigeru, weil er sie verursacht hatte. Takeshi hatte die Zeit gutgetan, in der er von seiner Mutter getrennt war, doch jetzt, wo sie im selben Haus lebten, untergruben ihre Nachsicht mit dem jüngeren Sohn und ihre Missbilligung des älteren Shigerus Autorität und förderten Takeshis Groll.
    Shigeru sah keine andere Lösung, als weiter darauf zu bestehen, dass er sich durchsetzte, doch er wusste, durch seine Tarnung als Bauer hatte er den Respekt von Mutter und Bruder verloren.
    Einige Tage nach dem Kampf, der beinah außer Kontrolle geraten war, kam Kaheis Vater Miyoshi Satoru zu Besuch, angeblich um zu fragen, ob Ichiro sich überlegen könnte, Kahei und Gemba zu unterrichten. Das führte indirekt und mit großem Feingefühl zu dem Vorschlag, dass Takeshi vielleicht gern mehr Zeit mit Satorus Söhnen verbringen würde, möglicherweise sogar ein paar Wochen bei ihnen wohnen wolle.
    Shigeru schwankte zwischen Dankbarkeit und der Angst, Satoru könne denken, er habe bei seinen Anstrengungen versagt, seinen Bruder zu erziehen, Takeshi sei außer Kontrolle und jeder in Hagi würde es wissen. Satoru verstand es geschickt, den Eindruck zu vermitteln, sein älterer Sohn Kahei werde aus Ichiros Unterweisung und dem Zusammensein mit Takeshi großen Nutzen ziehen, und ermöglichte es Shigeru zuzustimmen, ohne das Gesicht zu verlieren. Dennoch zögerte Shigeru, seine persönlichen Probleme einer anderen Familie zu übertragen. Er dankte Lord Miyoshi für das Angebot und versprach, es zu bedenken und mit seiner Mutter und Ichiro zu besprechen.
    An diesem Abend saß er in Ichiros Zimmer und redete mit dem Alten, als sein Blick auf eine offenbar neue Kiste mit Schriftrollen fiel, die neben den anderen an der Wand stand. Shigeru war etwas überrascht, dass Ichiro ohne Einschränkung für Lord Miyoshis Vorschlag war; seine Mutter hatte Einwände gehabt, aber mehr aus Gewohnheit als aus ernsthaften Bedenken.
    Â»Was ist in dieser Kiste?«, fragte Shigeru.
    Â»Sie wurde vor einigen Tagen gebracht. Ich habe vergessen, Ihnen davon zu erzählen. In der Kiste liegt ein Brief obenauf. Er ist von Otori Eijiros Witwe. Das Gut wurde Tsuwano übereignet. Sie und ihre Töchter kehren in den Westen zurück. Die Kiste enthält die letzten Aufzeichnungen ihres Mannes vor seinem Tod. Sie sollen sie nach ihrem Wunsch haben.«
    Â»Gut, ich werde sie mir anschauen.« Das schien eine erfreuliche Ablenkung von der bevorstehenden Entscheidung zu sein, obwohl es ihm erneut Kummer bereitete, sich an Eijiros Familie und ihr glückliches Leben zu erinnern. Er dachte an die Woche, die er bei ihnen verbracht hatte, und wie sehr sie ihn beeindruckt hatten. Das ist der Einfluss der Maruyama, hatte Eijiro gesagt.
    Eijiros Frau stammte aus der Sugitafamilie. Lady Maruyamas Gefährtin Sachie war ihre Schwester. Shigeru dachte an Maruyama

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