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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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gehört hatten.
    Lord Irie sprach ebenfalls sehr wenig und trank zurückhaltend, er kümmerte sich vor allem um Shigeru und dessen Bedürfnisse. Noch ein weiterer Gast war anwesend: ein Otorivasall aus dem Süden des Mittleren Landes, Noguchi Masayoshi. Beim Gespräch am Abendstellte sich heraus, dass Noguchi Kitanos Söhne nach Inuyama begleiten würde. Es wurde nicht mehr über diesen Plan verraten und die Jungen versuchten ihre Überraschung zu verbergen. In Hagi war davon nicht die Rede gewesen und Shigeru war sicher, dass sein Vater nichts davon wusste.
    Â»In Inuyama werden meine Söhne die wahre Kriegskunst lernen«, sagte Kitano. »Iida Sadamu steht mittlerweile im Ruf, der größte Krieger seiner Generation zu sein.« Er trank und schaute unter seinen schweren Augenbrauen kurz zu Irie hinüber. »Dieses Wissen kann für den Clan nur von Nutzen sein.«
    Â»Vermutlich wurde Lord Otori darüber informiert«, sagte Irie, obwohl er wissen musste, dass es nicht stimmte.
    Â»Briefe wurden geschickt«, erwiderte Kitano, es klang etwas unbestimmt. Shigeru bemerkte sein ausweichendes Verhalten und vermutete, dass ihm nicht zu trauen war. Er machte sich auch Gedanken über Noguchi Masayoshi. Noguchi war Anfang dreißig, der älteste Sohn einer Familie von Otorivasallen, zu deren südlicher Domäne auch der Hafen Hofu gehörte. Gerade im Süden waren die Otori am verletzlichsten – ohne besonderen Schutz der Berge lagen die Ländereien dort zwischen denen der ehrgeizigen Familie Iida in Inuyama und den reichen Gütern der Seishuu im Westen. Kitano würde den Tohan kaum widerstehen können, wenn seine Söhne in Inuyama waren. Sie könnten als Geiseln betrachtet werden. Shigeru spürte, wie in ihm der Zorn zu kochen begann. Wenn der Mann kein Verräter war, dann war er ein Dummkopf. War es an ihm, ausdrücklich eine sovoreilige Entscheidung zu verbieten? Falls er davon abriet und Kitano ihm nicht gehorchte, würde das Meinungsverschiedenheiten offenbaren, die nur zu einem Zwist innerhalb des Clans führen konnten – vielleicht sogar zu einem Bürgerkrieg. Sein Leben lang war er von Loyalität umgeben gewesen; sie untermauerte die ganze Struktur der Kriegerklasse – die Otori waren stolz auf die unwandelbare Treue, die alle Ränge miteinander und mit dem Clanführer verband. Shigeru war sich der Schwächen seines Vaters bewusst, doch wie sie von Männern wie Kitano und Noguchi mit eigenen ehrgeizigen Zielen gesehen wurden, hatte er nicht erkannt.
    Er suchte nach einer Gelegenheit, mit Irie über seine Befürchtungen zu sprechen. Das war nicht leicht, weil sie immer von Kitano oder seinen Gefolgsleuten begleitet wurden. Bevor sie sich zurückzogen, sagte er, er wolle noch ein wenig draußen spazieren gehen, um die Nacht und den zunehmenden Mond zu genießen, und bat Irie, mitzukommen. Bedienstete führten sie vom Schloss zu den Zinnen, riesigen Steinmauern, die aus dem Wallgraben ragten, in dem die silbrige Mondscheibe vom schwarzen, stillen Wasser gespiegelt wurde. Gelegentlich spritzte es, wenn ein Fisch hochsprang oder eine Wasserratte eintauchte. Wachtposten standen an jeder Ecke der Mauern und auf der Brücke, die vom Schloss zur Stadt führte, doch sie schienen keine Störungen zu erwarten – Tsuwano lebte seit Jahren in Frieden, es drohte keine Invasion, kein Angriff. Aber weder das müßige Geplauder der Wachtposten noch die ruhige Nacht oder der Mond über der schlafenden Stadt zerstreuten Shigerus Befürchtungen. Er bewunderte den Mond und dieZinnen pflichtschuldig, sah aber keine Möglichkeit, diskret den Rat seines Lehrers zu suchen. Als sie zurückkamen, forderte Shigeru die Diener auf, sie allein zu lassen, und bat Irie nachzusehen, ob kein Lauscher in der Nähe war, weder Bedienstete noch Wachtposten. Die Worte seines Vaters fielen ihm ein … Könnte Kitano sich nicht der gleichen Spione vom Stamm bedienen, wenn er mit den Tohan in Verbindung stand?
    Als Irie zurückkam und Shigeru sich sicher fühlte, sagte er leise: »Sollte ich verhindern, dass die Jungen nach Inuyama gehen?«
    Â»Ich meine, das sollten Sie tun«, sagte Irie ebenso gedämpft. »Unbedingt. Über Ihre Wünsche sollte kein Zweifel bestehen. Ich glaube nicht, dass Kitano sich Ihnen offen widersetzt. Wenn da irgendeine Betrugsabsicht glimmt, werden wir sie

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