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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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schickt viele Prüfungen: Dürren, Schädlinge, Überschwemmungen, Stürme. Aber wir kennen das Land, wir verstehen es … Ich glaube, wir werden von der Erde ebenso gesegnet wie vom Himmel. Das war immer die Art der Otori«, setzte er leise mit einem Blick auf Shigeru hinzu. »Falls Lord Shigeru mehr darüber wissen will – ich habe eine Kleinigkeit zu dem Thema aufgeschrieben …«
    Sein ältester Sohn Danjo sagte: »Eine Kleinigkeit! Vater ist zu bescheiden. Lord Shigeru könnte ein Jahr lang lesen und wäre immer noch nicht am Ende von Vaters Schriften.«
    Â»Ich würde sie sehr gern lesen«, erwiderte Shigeru. »Aber ich fürchte, ich werde keine Zeit haben; wir müssen heute weiterreiten.«
    Â»Sie können einige mitnehmen. Vielleicht können Sie deren Lektüre zu Ihren Studien im Tempel hinzufügen. Sie sind der Erbe des Clans: Es wäre nur angemessen, wenn Sie über das Land Bescheid wissen.«
    Mehr sagte Eijiro nicht, aber er runzelte die Stirn und sein üblicher gutmütiger, offener Gesichtsausdruck verfinsterte sich. Shigeru meinte Eijiros unausgesprochene Gedanken zu lesen: dass sein Vater Shigemori keinerlei Interessen dieser Art hatte. Die Ländereien rund um Hagi wurden ganz der Verwaltung durch Beamte überlassen und waren hinreichend fruchtbar, das wusste Shigeru, aber sie sahen nicht aus wie die von Eijiro. Sein Vater, der sich seiner Stellung zu sehr bewusst war, von Natur aus nach innen gekehrt, mit privatem Kummer und Reue übermäßig beschäftigt, hatte sich allzu bereitwillig dem Land entfremdet, dem er seine Positionverdankte. Ein Lehen ist wie ein Bauernhof, dachte Shigeru: Jeder darin hat seinen Platz und seinen Zweck, und alle arbeiten gemeinsam für das Wohl des Ganzen. Wenn der Herr des Bauernhofs gerecht und sachkundig ist wie Eijiro, gedeihen alle.
    Beim Gedanken an seinen Hof, das Mittlere Land, spürte er, wie er körperlich von Stolz und Freude erfüllt wurde: Das war sein Eigen und er würde es schätzen und beschützen wie dieses schöne Tal. Er würde dafür kämpfen, nicht nur mit dem Schwert wie ein Krieger, sondern auch mit Eijiros Werkzeugen.
    Mehrere Rollen von Eijiros Schriften wurden den Kisten mit Geschenken hinzugefügt. Tadao und Masaji neckten Shigeru damit.
    Â»Sie haben das Glück, mit Shingen den Schwertkampf zu üben, und verbringen Ihre Zeit lieber damit, etwas über Zwiebeln zu lesen!«, spottete Masaji.
    Â»Lord Eijiro kann meine Scheiße gern für seine Maulbeerbäume und Kürbisse haben«, sagte Tadao. »Aber mein Hirn kriegt er nicht auch noch.«
    Â»Seine Söhne sind geschickte Krieger und Bauern zugleich«, sagte Shigeru.
    Â»Von wegen geschickt! Sie schwingen den Bogen eher wie eine Hacke! Sie haben gekämpft wie Mädchen. Es war ein Kinderspiel, sie zu schlagen!«, entgegnete Tadao arrogant.
    Â»Wahrscheinlich, weil sie mit ihren Schwestern trainieren«, fügte Masaji verächtlich hinzu. »Wenn alle Otori kämpfen wie sie, dann verdienen wir es, von den Tohan geschlagen zu werden.«
    Shigeru hielt das für nicht mehr als eine unbedachte Bemerkung und kommentierte sie nicht. Doch später fiel sie ihm wieder ein, als sie Tsuwano erreichten und im Schloss vom Vater der Jungen, Lord Kitano, begrüßt wurden. Der Gegensatz zwischen den beiden Familien hätte kaum größer sein können. Eijiro war als Verwandter aus der Familie des Clanherrn natürlich von höherem Rang als Kitano, doch es war Kitano, der in einem kleinen Schloss wohnte und wie Shigerus Vater die Verwaltung seiner Güter Beamten überließ. Seine Leidenschaft galt dem Krieg und dessen Strategie sowie der entsprechenden Ausbildung und dem Training junger Männer.
    Die Lebensführung der Kitano war karg und soldatisch. Sie aßen einfach, nahmen mit unbequemen Wohnräumen vorlieb und schliefen auf dünnen Matratzen. Auch im Frühsommer war es im Schloss düster, die unteren Räume waren feucht, die oberen in der Mittagszeit erstickend heiß.
    Lord Kitano behandelte Shigeru mit der nötigen Ehrerbietung, doch seine Art erschien Shigeru gönnerhaft, seine Ansichten starr und altmodisch. Seine Söhne, die in Hagi und auf der Reise so offen und lebendig gewesen waren, wurden still und sprachen nur, um dem Vater zuzustimmen oder ihm einen Lehrsatz zu wiederholen, den sie von Ichiro oder Endo

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