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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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begleiten, wo er sich die Methoden der Bauern und ihre Lebensweise anschauen wollte.
    Â»Das ist ganz unnötig.« Nagai war überrascht. »Lord Shigeru kann sich die Berichte und Zahlen zeigen lassen.«
    Â»Ich möchte sehen, was die Berichte mir nicht verraten. Ich will lebendige Menschen sehen«, erwiderte er. Obwohl es zu Entschuldigungen und Verzögerungen kam, stellte er fest, dass er sich durch hartnäckiges Beharren durchsetzen konnte. Ihm war klar, letztendlich musste sich ihm jeder fügen. Theoretisch hatte er das natürlich gewusst, weil er der Erbe des Clans war, aber bisher hatten ihn Pflicht und Respekt an seine Lehrer und älteren Angehörigen gebunden, sie hatten seinen Charakter beeinflusst und geprägt. Jetzt, wo er bald erwachsen war, erkannte er das ganze Ausmaß seiner Macht und wie sie ausgeübt werden konnte. Die älteren Männer mochten ihm Widerstand leisten, mit ihm argumentieren und seine Vorhaben verzögern, doch sie mussten sich seinen Wünschen fügen, was sie auch davon halten mochten. Die Erkenntnis dieser Macht war manchmal berauschend, häufiger jedoch ernüchternd. Er musste richtig entscheiden, nicht für sich, sondern für den Clan. Er wusste, dass ihm viel an Weisheit und Erfahrung fehlte, aber er vertraute seinem Instinkt und der Vision, in der er sein Land mit einem Bauernhof verglich.
    Â»Ein feierlicher Begleitzug ist nicht nötig«, sagte Shigeru, als Nagai allmählich nachgab. Er hatte genug von Zeremonien. »Ich werde mit Irie, mit Ihnen und zwei Wachtposten reiten.«
    Â»Lord Otori.« Nagai verneigte sich, er hatte die Lippen fest zusammengepresst.
    Shigeru ritt hinaus in die Dörfer, sah, wie die überschwemmten Reisfelder gejätet wurden, erfuhr, wie man Deiche konstruierte und das Wasser leitete, stieg in luftige Speicher, hörte, wie die Seidenraupen sich durch ihr kurzes Leben fraßen, und überwand schließlich den Widerstand seiner Gefährten sowie die Scheu der Bauern und redete mit ihnen. Dabei erfuhr er aus ihrem Mund viel über ihre Fähigkeiten und Sitten, von ihren Händen lernte er die landwirtschaftlichen Geräte kennen, er hörte die Trommeln der Sommerfeste in den örtlichen Schreinen hoch in den Bergen, als der Reisgott mit Strohseilen und Papierfiguren, Reiswein und Tanz gefeiert wurde, sah die Leuchtkäfer über klaren Flüssen in samtiger Dämmerung, erkannte die Mühen und Erfolge dieses Lebens, seine ewigen Zyklen, seine Unzerstörbarkeit. Er zog Reisekleidung ohne Clansymbol an und genoss das Gefühl, anonym zu sein, aber lange konnte er nicht unerkannt bleiben. Leute ließen die Arbeit sinken, um ihn anzuschauen, und er war sich ihrer Blicke bewusst und erkannte, dass er ein Symbol für sie wurde, über sein eigenes Ich und seine menschlichen Beschränkungen hinauswuchs und zur Verkörperung des Otoriclans wurde. Nur drei Wochen lang hielt er sich dort auf, doch es war ein unvergesslicher Besuch, in dem das Band der Liebe und Verehrung entstand, das die Menschen von Yamagata mit Otori Shigeru vereinte.
    Häufig ritt, noch öfter ging er auch durch die Stadt, besuchte ihre Läden, die kleineren Unternehmen zur Verarbeitung von Sojabohnen oder zur Weinherstellung, Schwertschmiede, Töpfer, Lackkünstler, Zimmerleute, Mattenweber, Maler und Konstruktionszeichner, Hausierer und Straßenhändler. Er ließ Kartenzeichner ins Schloss kommen und sich ihre Stadtpläne zeigen, er studierte sie eingehend und prägte sich jedes Haus, jeden Laden und Tempel ein. Wenn er nach Hagi zurückkehrte, wollte er dort das Gleiche tun.
    Nagai war ein ernster und peinlich genauer Mann. Die Aufzeichnungen des Otoriclans wurden in Yamagata gewissenhaft geführt. Shigeru begriff schnell, wie leicht man Informationen in den Schriftrollen fand, die zusammen mit Rautenblättern in Kisten aus Paulownien- und Kampferholz aufbewahrt wurden. Sie waren in logischer Folge nach Jahr, Bezirk und Familie geordnet und deutlich lesbar geschrieben, auch die ältesten. Shigeru fand es beruhigend zu sehen, wie die Geschichte seines Volks so detailliert aufgezeichnet wurde. Als Nagai erkannte, dass die Akten Shigeru ebenso interessierten wie die Bauern und Stadtbewohner, wurde er zugänglicher. Am Ende des Besuchs verband die beiden Respekt und Zuneigung, und wie Shigerus Lehrer in Hagi – Irie, Miyoshi und Endo – war Nagai

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