Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
unerwartete Freude und eine groÃe Ehre, wenn ich so direkt sein darf.« Er versuchtenicht, die Stimme zu senken, sicher glaubte er, in seinem Heim tun und sagen zu können, was er wollte. Niemand aus seinem Haushalt würde es wagen, seine Worte den Otorilords zu hinterbringen. Ein jeder von ihnen hätte Teradas Strafe gespürt, bevor solche Worte gesagt worden waren.
Terada bellte mehrere Befehle. Mägde brachten Tee, Wein und Scheiben von rohem Fisch, die gerade eben vom lebenden Tier geschnitten worden waren, noch zitterten und mit dem salzigen Geschmack des Meeres im Mund zergingen. Sie sprachen über den Mond und die Gezeiten, das Wetter und die Jahreszeit, dann sagte Shigeru so nebenher, während er über die Bucht zum anderen Vulkan schaute: »Ich nehme an, der Oshima ist ganz anders als der Feuerberg.«
»Ist Lord Shigeru noch nie dort gewesen?«
Shigeru schüttelte den Kopf. »Ich habe es mir immer gewünscht.«
»Der Feuerberg gilt als ziemlich sicher. Der Oshima ist unvorhersehbar. Niemand würde es wagen, ein Haus wie dieses dort neben den Vulkan zu bauen â obwohl ich von Zeit zu Zeit dazu versucht bin, besonders wenn das Schloss immer mehr Geld von uns haben will.«
Er füllte Shigerus Schale erneut und leerte die eigene. Shigeru schwieg und veränderte seine ausdruckslose Miene nicht. Sie redeten von anderen Dingen, doch als Shigeru aufbrach, sagte Terada: »Nichts hindert uns daran, diese Woche zum Oshima zu fahren. Warum kommen Sie nicht mit?«
»Das wäre mir eine groÃe Freude«, sagte Shigeru mit seinem offenen Lächeln.
»Dann treffen wir uns morgen Abend am Hafen, wir werden etwa eine Woche unterwegs sein.«
Shigeru ging nach Hause, traf die nötigen Reisevorbereitungen, informierte seine Mutter und Ichiro und schrieb einen kurzen Brief an seine Onkel, den Ichiro nach seiner Abreise ins Schloss bringen sollte. Er sagte nichts davon, seine Reise bis zur Küste von Maruyama auszudehnen, doch als am nächsten Abend Teradas Schiff über die Wellen schoss, von der Flut und dem Südostwind beschleunigt, fragte er den Ãlteren: »Legen Sie jemals an der Küste von Maruyama an?«
»Gelegentlich halten wir in Ohama, wenn der Wind auf Nord dreht und wir nicht nach Hagi zurückkönnen. Warum? Wollten Sie dorthin?«
Shigeru antwortete nicht sofort. Terada bat ihn durch eine Geste, etwas näher zu kommen.
»Ich habe keine Geheimnisse vor meinen Männern«, sagte er leise. »Aber Sie haben vielleicht Anliegen, die nicht das ganze Schiff hören soll, und das respektiere ich. Wenn Sie nach Maruyama wollen, dann sorge ich dafür, dass Sie hinkommen und ich werde nicht nach Ihren Gründen fragen und auch anderen nicht erlauben, das zu tun.«
»Sie sagen, der Nordwind hindert Sie manchmal daran, nach Hagi zurückzukehren«, sagte Shigeru. »Könnte er mich ein paar Tage in Katte Jinja festhalten, wenn Sie mich dorthin bringen?«
»Das macht er, wenn ich es ihm sage«, entgegnete Terada grinsend. »Das passt uns gut. Wir fahren dann nach Oshima und fischen im Meer zwischen Insel undKüste. Wir können Sie abholen, wann immer Sie wünschen.«
Das Tageslicht schwand und der Vollmond stieg auf. Shigeru schaute auf den Pfad, den er auf den Wellen nach Westen zeichnete, und stellte sich vor, darüberzugehen bis zu der Stelle, wo sie wartete.
Die Fischerboote kamen gerade vor Morgengrauen nach Oshima, legten im Windschatten der Klippen an und warteten auf den Tagesanbruch. Der Wind legte sich, das Meer war ruhig, klatschte sanft an die Basaltfelsen und war so leise, dass sie deutlich die erwachenden Vögel auf der Insel hören konnten.
Die Sonne ging auf, eine helle rote Scheibe, die aus dem unbewegten Ozean stieg.
»Eine Woche lang wird das Wetter gut sein.« Terada schaute hinauf zu dem wolkenlosen Himmel und beschattete die Augen mit dem Arm.
»Gut zum Reisen«, stimmte Shigeru zu und versuchte seine Ungeduld hinter gleichgültiger Ruhe zu verbergen.
Die Männer ruderten die Boote in den felsengesäumten Hafen. Aus der Ferne wirkte er wie ein natürliches Becken, aber als sie vor Anker gegangen waren und an Land sprangen, sah Shigeru, dass der Natur geholfen worden war durch sorgfältig behauene Steine, die zu einem Landekai angeordnet worden waren. Auf der anderen Seite war auf die gleiche Weise eine schützende Mauer
Weitere Kostenlose Bücher