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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Brief war wieder in weiteren Schriften von Eijiro versteckt und nicht unterschrieben. Man konnte ihn für die Kopie einer Erzählung halten, denn er las sich wie das Fragment einer Geistergeschichte, die bei Regen in einem abgeschiedenen Tempel spielte: Ein Krieger wurde von Liebe verzaubert, eine Geisterfrau verführte ihn. Das war leicht und humorvoll geschrieben, fast konnte er das Lachen seiner Geisterfrau hören.
    Dann kam der Jahreswechsel und die Stadt Hagi wurde durch den Schnee vom Rest der Drei Länder abgeschnitten.
    Während der langen Wintermonate, als der Schnee in den Gärten hoch aufgehäuft wurde und Eiszapfen von den Dachvorsprüngen hingen wie Reihen weißer Rettiche, die Früchte des Winters, nahm Shigeru oft den Brief heraus, las ihn und erinnerte sich an den abgeschiedenen Tempel, den Regen, ihre Stimme, ihr Haar.
    Manchmal konnte er kaum glauben, was geschehen war, dass sie gewagt hatten, was sie beide tief ersehnten, und er staunte über ihren Mut und dankte ihr über alle Worte hinaus. Sie riskierte mehr als er, denn er hatte nichts, was ihn an diese Welt band, außer ihr und seinen Racheplänen, während sie eine Tochter und eine Domäne verlieren konnte.
    Dann wieder erschien ihm ihre Liebe füreinander so natürlich und vorherbestimmt, dass er keine Gefahr darin erkennen konnte. Er spürte, dass sie unverwundbar waren, vom Schicksal beschützt.
    Als Shigeru im Frühling einen Brief von Naomi erhielt, der in einem Paket von Eijiros Witwe mit Proben von Sesamsamen für seine ersten Versuchspflanzungen versteckt war und ihm mitteilte, dass sie bei Vollmond im vierten Monat an einem Ort namens Katte Jinja an der Nordküste von Maruyama sein werde, zögerte er nicht, Reisevorbereitungen zu treffen.
    Im vergangenen Jahr hatte er angefangen, sich fürs Fischen beinah ebenso zu interessieren wie für die Landwirtschaft, denn aus dem Meer gewann Hagi fast all seine Nahrung und all seinen Wohlstand. Die Fischerfamilien hatten ihre eigenen Hierarchien, Loyalitäten und Gepflogenheiten und Shigeru wusste, dass sie dadurch häufig in Konflikt mit seinen Onkeln im Schloss kamen, die in den reichen Fängen der Fischer eine Quelle nicht weniger reicher Steuern sahen. Besonders gut bekannt war Shigeru mit Terada Fumifusa, einem untersetzten, ungeheuer kräftigen und überaus listigen Mann, der seine eigene Flotte und den Hafen allgemein mit freundlicher, aber unangefochtener Tyrannei dirigierte. Es wurde gemunkelt, er habe die Hälfte der jungen Fischer in Hagi gezeugt, doch er hatte nur einen legitimen Sohn, Fumio, im gleichen Alter wie Miyoshi Gemba. Bereits mit acht Jahren begleitete Fumio seinen Vater auf allen Reisen.
    Terada hatte von Zeit zu Zeit Shigeru zum Mitfahren eingeladen. Shigeru war nie darauf eingegangen, doch jetzt reifte in ihm ein Plan. Terada wohnte in der Nähe des Hafens an einem Hang des Feuerbergs. Im vergangenen Jahr hatte Shigeru hier oft die Stelle besucht, an der Akane gestorben war, die exotischen Gärten des alten Priesters hatten ihm gefallen. Er hatte dafür gesorgt, dass die Gärten nach dem Tod des Alten nicht vernachlässigt wurden, das war eine Möglichkeit gewesen, mit seinem Schmerz und Zorn wegen Akane fertig zu werden und zugleich eine Gedenkstätte an ihre Schönheit und Lebhaftigkeit zu erhalten. Viele junge Frauen und Männer kamen hierher, um zu Akanes Geist zu beten, damit er ihnen bei allen Herzensangelegenheiten half und Shigeru vereinte halb unbewusst seine Gebete mit ihren.
    An diesem späten Frühlingstag, als die Kirschblüte ihren Höhepunkt erreichte und die intensiveren Düfte der Orangenblüte zusammen mit vielen Gerüchen von fremden Blüten, die er nicht kannte, die Luft erfüllten, war der Schrein auf dem Feuerberg voller Menschen. Zweifellos spürten sie wie er den Frühling im Blut, die Sehnsucht nach Liebe, den Wunsch nach dem geliebten Körper, das Begehren, sich zusammen niederzulegen und neues Leben zu schaffen.
    Shigeru glaubte, Terada sei zu Hause, denn er hatte sein Schiff im Hafen gesehen, wo es auf die Ausfahrt mit der Flut am nächsten Tag vorbereitet wurde. Shigeru wusste, dass viele in der Menge ihn erkannt hatten. Er war sich ihres Respekts und ihrer Freude bewusst und jemand musste Terada Bescheid gegeben haben, denn der Fischer kam heraus zum Tor und lud ihn herzlich ein hereinzukommen.
    Â»Lord Shigeru! So eine

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