Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
dich mit«, sagte Shigeru. »Aber ich gehe nicht zurück. Ich gehe weiter.«
»Sie werden Sie verfolgen. Und Sie gehen noch dazu direkt auf Iida zu. Er durchkämmt dieses ganze Gebiet«, er wies mit dem Kopf nach Südosten, »auf der Suche nach den armen Teufeln, die Verborgene genannt werden.«
»Deshalb muss ich zu einem Ort namens Mino. Dort ist jemand, den ich vor Iida retten muss.«
»Dann begleite ich Sie, solange ich noch gehen kann. Ich glaube, Sie kommen schneller voran, wenn ich Sie führe. In Mino bin ich nie gewesen, aber ich kenne Hinode, dort ist ein altes Bergwerk. Mino ist nicht weit weg. Treue zum Reiher! Es wird mein letzter Dienst für Sie sein.«
Komori murmelte einen letzten Fluch, als sie den Platz mit den Leichen hinter sich lieÃen. »Was habe ich mich nach dem Tag gesehnt, an dem ich diesen Rohling tot sehe. Iida hat uns einander geschenkt. Er hat ein Talent dafür, die Leute so zusammenzubringen. Er hat mir nie vergessen, wie ich ihn gezwungen habe, sich nackt auszuziehen und die Schwerter hinter sich zu lassen und ihm so das Leben gerettet habe. Das war meine Belohnung: lebend in den Minen gefangen zu sein mit meinem persönlichen Wärter und Folterer. Fallen Sie ihm nie in die Hände, Lord Otori. Kommen Sie nie wieder in den Osten. Es sei denn, Sie kommen als Führer einer Armee«, fügte er bitter hinzu. »Wir hätten Iida im Lager des Ungeheuers sterben lassen sollen. Wenn Sie ihn wiedertreffen, müssen Sie ihn töten.«
»Das habe ich vor«, sagte Shigeru. »Es tut mir nurleid, dass du durch meine Entscheidung und meine Niederlage so gelitten hast.«
Die Nacht brach herein und eine Zeit lang gingen sie, als wären sie blind, doch Komori kannte den Weg und wurde nie langsamer. Als der Mond aufging, hatten sie das Tal durchquert, das bleiche Licht warf Schatten auf das Sommergras und fiel auf die jungen Sämlinge. Hin und wieder schrie ein Fuchs, seine Partnerin schrie und eine Eule glitt plötzlich aus der Dämmerung.
Komori war mit der gleichen Energie losgegangen, an die sich Shigeru von damals erinnerte, und sie kamen mit einem gewissen Tempo und ohne viele Worte voran. Doch im Lauf der Nacht, als der Halbmond den Himmel überquerte, wurde Komori langsamer, seine FüÃe verfehlten den Pfad und Shigeru musste ihn mehrfach am Arm nehmen und auf den Pfad zurückführen. Er fing an zu halluzinieren, glaubte zuerst, in der Mine zu sein, dann in Inuyama. »Ãber den Nachtigallenboden«, flüsterte er. Shigeru verstand ihn nicht und Komori schien von dem verzweifelten Wunsch gepackt zu erklären. »Dort werden Sie Iida finden, aber niemand kann zu ihm, weil niemand über diesen Boden kann.«
Shigeru forderte ihn auf, sich auf seine Schulter zu stützen, legte den Arm um ihn und spürte, wie das Fleisch des Mannes sich erhitzte, während das Fieber stieg. Der Tag brach an, als sie den nächsten Pass erreichten. Sie hielten für ein paar Minuten an und ruhten sich aus. Zu ihren FüÃen lag zwischen steilen Hängen ein Tal, dem die nächste Bergkette folgte. Shigeru glaubte nicht, dass Komori den Aufstieg schaffte, und fragte sich, wie weit er ihn tragen könnte.
»Ich habe Durst«, sagte Komori plötzlich, Shigeru hob ihn auf und trug ihn hinunter zum Fluss. Dort setzte er ihn ins flache Wasser dicht am Ufer.
»Ah, das tut gut«, seufzte Komori, doch gleich darauf zitterte er heftig. Shigeru schöpfte mit den Händen Wasser und half ihm trinken, dann zog er ihn auf das steinige Ufer in die Morgensonne.
»Gehen Sie, Lord Shigeru, und lassen Sie mich hier«, bat Komori in den kurzen Momenten der Klarheit, während er versuchte, Shigeru den Weg nach Mino einzuprägen, doch Shigeru brachte es nicht über sich, ihn allein sterben zu lassen. Er saà bei ihm, wischte ihm den Schweià ab und befeuchtete seinen ausgedörrten Mund.
Plötzlich sagte Komori: »Wenn man unter der Erde war und herauskommt, sieht die Welt immer so hell und frisch aus, als wäre sie gerade erschaffen worden!«
Er sagte es so klar, dass Shigeru schon glaubte, er erhole sich, doch dann sprach er nicht mehr und vor Mittag war er tot.
Er konnte nirgendwo begraben werden. Shigeru stapelte Steine über dem Körper, so gut es ging, und sprach die nötigen Gebete für den Toten. Dann setzte er seine Reise wieder fort, doch sein Herz war schwer vor Trauer
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