Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
mitzuteilen.«
»Iida hat sie bestraft?«
»Von wegen, es wird berichtet, dass er die Neuigkeiten mit Vergnügen gehört hat.« Kuroda zögerte. »Ich möchte Lord Otori nicht kränken â¦Â«
»Sag mir, was er gesagt hat.«
»Seine genauen Worte waren: âºEin Emporkömmling weniger, über den man sich ärgern muss. Zu schade, dass es nicht der Bruder war.â¹ Statt sie zu bestrafen, belohnte er sie und betrachtet sie jetzt mit Wohlwollen.« Kuroda presste die Lippen fest aufeinander und starrte zu Boden.
Zorn drohte Shigeru zu überwältigen. Er begrüÃte das, denn dadurch verschwanden Schmerz und Tränen sofort. Zorn würde ihn jetzt aufrechthalten, Zorn und sein Verlangen nach Rache.
Das Verhalten seiner Onkel tat nichts, um diesen Zorn zu mildern. Sie drückten ihr tiefes Bedauern über Takeshis Tod aus und über den seiner Mutter sowie ihre groÃe Sorge um seine Gesundheit. Als Shigeru wissen wollte, wie sie auf den Mord reagieren und wann sie Entschuldigungen und Entschädigungen von Iida verlangen würden, verhielten sie sich zuerst ausweichend und schlieÃlich entschieden ablehnend. Forderungen würden nicht gestellt. Takeshis Tod sei ein unglücklicher Zufall. Lord Iida könne dafür nicht verantwortlich gemacht werden.
»Wir müssen dich nicht daran erinnern, wie ungestüm dein Bruder in der Vergangenheit war. Er war in viele Streitigkeiten verwickelt«, sagte Shoichi.
»Als er jünger war«, entgegnete Shigeru. »Die meisten jungen Männer machen ähnliche Fehler.« Tatsächlich war Masahiros ältester Sohn Yoshitomi erst kürzlich in der Stadt in einen hässlichen Kampf verwickelt gewesen, bei dem zwei Jungen ums Leben gekommen waren. »Ich glaube, Takeshi hatte seine frühere Unrast abgelegt.«
»Vielleicht hast du Recht«, sagte Masahiro mit spürbarer Unaufrichtigkeit. »Leider werden wir das nie wissen. Lassen wir die Toten in Frieden ruhen.«
»Um dir die Wahrheit zu sagen, Shigeru«, Shoichi beobachtete seinen Neffen scharf, »verhandeln wir gerade über ein förmliches Bündnis mit den Tohan. Dadurch würden wir uns bereit erklären, die gegenwärtigen Grenzen gesetzlich anzuerkennen und die Tohan bei ihrer Ausdehnung in den Westen zu unterstützen.«
»Ein solches Bündnis sollten wir nie schlieÃen«, sagte Shigeru sofort. »Wenn die Tohan in den Westen vordringen, werden sie uns völlig einkreisen. Als Nächstes werden sie einnehmen, was vom Mittleren Land noch übrig ist. Die Seishuu schützen uns davor.«
»Iida wird auch mit den Seishuu zu einer Vereinbarung kommen â wenn möglich durch Heirat, und wenn nicht, durch Krieg.« Masahiro lachte, als hätte er Vergnügen an dieser Aussicht.
»Wer im Westen bedroht ihn mit einem Krieg? Er bildet sich überall Feinde ein!«
»Du bist krank gewesen, du bist nicht ganz informiert über neuere Ereignisse«, entgegnete Shoichi ausdruckslos.
»Lord Shigeru sollte daran denken, sich wieder zu verheiraten«, bemerkte Masahiro, offenbar um das Thema zu wechseln. »Da du dich von der politischen Bühne zurückgezogen hast, solltest du dein einfaches Leben in vollen Zügen genieÃen. Erlaube, dass wir eine Frau für dich finden.«
»Ich habe nicht den Wunsch, wieder zu heiraten«, erwiderte Shigeru.
»Aber mein Bruder hat Recht«, sagte Shoichi. »Du musst das Leben genieÃen und deine Gesundheit wiederherstellen. Mach eine Reise, betrachte Berglandschaften, besuche einen Schrein und sammle weitere alte Geschichten.« Er lächelte seinem Bruder zu und Shigeru sah ihren Hohn.
»Ich werde nach Terayama zum Grab meines Bruders gehen.«
»Dafür ist es etwas zu früh«, sagte Shoichi. »Dahin geh nicht. Aber du kannst in den Osten reisen.«
KAPITEL 47Â
Sehr gut, dachte Shigeru. Ich werde meinen Onkeln gehorchen. Ich werde in den Osten reisen.
Am nächsten Tag brach er auf. Chiyo und Ichiro hatte er gesagt, er werde den Tempel von Shokoji besuchen, dort ein paar Tage in der Abgeschiedenheit verbringen und für den Toten beten. Den ersten Teil der Reise brachte er zu Pferd hinter sich, wobei er Kyu und einige Gefolgsleute als Begleiter mitnahm. Männer und Pferde lieà er in der letzten kleinen Stadt vor der Grenze zurück, in Susamura, und zog allein zu Fuà weiter wie ein Pilger.
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