Der Clan der Vampire (Venedig 1 & 2)
einen Ärmel oder den Aufschlag eines Mantels. Der durchweichte Wollstoff war schwer. Sie zog daran und zu ihrer Erleichterung spürte sie etwas Schweres, was ihr bestätigte, dass sie den Ertrinkenden gefunden hatte.
Der Druck in ihrer Lunge wurde immer intensiver. Sie kämpfte gegen den Instinkt ihres Körpers an, aufzutauchen, um Luft zu holen. Sie wusste, dass, wenn sie ihn jetzt losließe, sie ihn nie wieder finden würde. Also versuchte sie, ihr eigenes Verlangen nach Sauerstoff zu unterdrücken.
Isabella schob eine Hand unter die Achsel des Mannes. Trotz des Auftriebs des Wassers war er schwerer, als sie erwartet hatte. Sie sammelte all ihre restlichen Kräfte und signalisierte Adolfo mit einem Zug am Seil, sie hochzuziehen. Sie hatte gerade noch genug Zeit, um ihren zweiten Arm unter die andere Achsel des Ertrinkenden zu haken, bevor sie spürte, wie sie nach oben gezogen wurde. Der Mann in ihren Armen war groß. Sein massiver Körper war gegen sie gepresst und sie konnte kaum seine Brust umfassen.
In dem Moment, als sie die Wasseroberfläche durchbrachen, schnappte sie nach Luft und füllte ihre Lunge mit dem dringend benötigten Sauerstoff. Die Kälte schmerzte in ihrer Brust, aber sie ignorierte diese ebenso wie das Gewicht des Mannes, den sie in ihren Armen hielt. Lebte er noch?
„Sie waren so lange dort unten“, hörte sie Adolfo lamentieren, seine Stimme angespannt aus Sorge um sie.
„Er ist so schwer“, presste Isabella heraus und versuchte, auf das Boot zuzuschwimmen. Aber alles, was sie tun konnte, war, den Mann festzuhalten und Adolfo die harte Arbeit machen zu lassen. Sie würde Adolfo nach dieser Tortur ein paar zusätzliche Lira als Belohnung geben.
Als ihr Gondoliere am Seil zog, spürte sie den Fremden aus ihrem Griff schlüpfen. Ohne nachzudenken, machte sie ihre Beine breit und schlang sie um dessen Hüften, um ihn wie in einem Schraubstock festzuhalten. Keine Lady würde so etwas Unanständiges tun, aber der Mann war bewusstlos und würde sich sicherlich nicht daran erinnern.
Sie vernahm Stimmen aus einiger Entfernung und betete, dass Hilfe kam. Adolfo war nicht stark genug, um sowohl sie als auch den Mann in die Gondel zu ziehen.
Ihre Gebete wurden erhört.
Ihre Gliedmaßen waren wie erfroren, als sie schließlich mit Hilfe von zwei freundlichen Lieferanten, die sie und den halb toten Fremden ins Boot zerrten, in der Gondel landete.
Adolfo bedeckte sie sofort mit ihrem Umhang, aber sie wusste, dass sie nicht die Einzige war, die Wärme benötigte. Isabella krabbelte näher zu dem Mann, den sie gerade gerettet hatte, wickelte den Umhang um sie beide und hielt ihn fest an ihren Körper gepresst, um das bisschen Wärme zu erhalten, das noch übrig war.
Sie fühlte Schauer durch seinen Körper rasen und konnte diese nur erwidern.
Er lebte.
2
Isabella riss dem Fremden die nassen Kleider vom Leib, während ihre Zofe Elisabetta mit weit aufgerissenen Augen daneben stand. „Steh nicht nur da! Leg mehr Kohle auf das Feuer!“, befahl sie.
„Signora, sollte das nicht lieber einer der Lakaien tun?“
Isabella warf ihr einen missbilligenden Blick zu. „Wir haben keine Zeit für Schamhaftigkeit.“ Sie hatte schon wertvolle Minuten damit verschwendet, sich von ihrer eigenen nassen Kleidung zu befreien und sich zu trocknen, bevor sie sich ein Unterkleid und einen Schlafrock übergeworfen hatte.
Adolfo hatte ihr geholfen, den Fremden in ihr eigenes Schlafgemach zu bringen und ihn auf den Diwan vor dem Kamin zu legen. Sie hatte ihn angewiesen, kein Wort über den Mann verlauten zu lassen. Mit einem Fremden, der weder ihr Gemahl noch ein enger Verwandter war, alleine in ihrem Haus zu sein, würde alle Münder in Venedig zum Schwätzen bringen. Dennoch wusste sie, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis einer ihrer Bediensteten zu klatschen begann und die skandalöse Neuigkeit verbreitete.
Trotz der Tatsache, dass sie schon seit einem Jahr um ihren Mann trauerte, hatte sie sich keinen Liebhaber genommen. Sie hatte noch niemandem erlaubt, ihr den Hof zu machen, wie es die Sitten einer respektablen Witwe erlaubten. Doch selbst sie würde einem Skandal nicht unversehrt entkommen. Sollte jemand herausfinden, dass ein Fremder in ihrem Haus war – schlimmer noch, in ihrem eigenen Schlafgemach – dann müsste sie mit Folgen rechnen. Sie wären schwerwiegend. War es das wert? Sie hatte sich nie nach der Berührung eines Mannes außer der ihres Gemahls gesehnt. Bis heute.
Als sie
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