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Der Clan der Wildkatzen

Der Clan der Wildkatzen

Titel: Der Clan der Wildkatzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Samtgardinen hervor, fuhr die Krallen aus und zog ihm einen blutigen Strich über die Nase. » Ich habe gesagt, ich will meine Ruhe.«
    Ratsbane lief heulend davon. Aconite sah Datura eine Weile mit zusammengekniffenen goldenen Augen an, ehe sie davonschlich, um sich ein Versteck vor den Großfüßen zu suchen. Die hatten ihr Angst gemacht. Die wenigen, die man hin und wieder vom Fenster aus gesehen hatte, hatte sie kaum beachtet, und sie beherrschte auch nicht ihre harte, kehlige Sprache. Doch während immer mehr durch die Zimmer marschierten, Vorhänge zurückzogen und Fenster öffneten, um Licht und Luft hereinzulassen, konnte sie sich der Invasion nicht mehr entziehen.
    Hinter dem Samtvorhang ließ Datura seine Gedanken nach draußen schweifen. Er hatte den Himmel gehasst, seit er als Kätzchen auf das Dach getaumelt war und nach oben geschaut hatte– er war so weit weg, und davon wurde ihm schwindlig. Datura bevorzugte enge Räume, wo er genau wusste, wo ein Raubtier oder eine Beute zu finden war. Der Himmel machte ihm auf unangenehme Weise klar, dass das Draußen zu groß war, um es allein überwachen zu können.
    Aber als die Fenster nach dem Tod des Großfußes geöffnet wurden, als die verrosteten Riegel knarrten und die toten Fliegen aus den Spinnweben vor den Scheiben auf den Boden rieselten, war Datura fasziniert. Draußen war es dunkel, und Regen verdeckte den Himmel, sodass man ihn gar nicht sehen konnte. Ohne dieses hohe blaue Gewölbe wirkte das Draußen überhaupt nicht so bedrohlich. Die Hecken verströmten den reichen Duft von Beute, als der weiße Kater seinen Blick über das Grundstück schweifen ließ. Seine beiden Augen leuchteten, das gesunde blaue und das verrückte gelbe, während er tief einatmete. Datura machte eine Bestandsaufnahme: die fette Maus in der Hecke, die saftigen Bandikutratten, die durch ihre Tunnel huschten, die Raupen und Käfer, die schlafenden Vögel. Draußen war eine Welt voller Beute, die gejagt werden wollte.
    Eine dunstige Dämmerung kündigte den Morgen an. Der Regen war inzwischen nur noch ein mürrisches Nieseln. Datura schüttelte die Ohren und reckte die Pfoten. Abwesend lauschte er dem schrillen Flehen einiger unglücklicher Wesen, die Aconites Pfad gekreuzt hatten. Sie hatte eindeutig schlechte Laune, dachte er, obwohl beide Katzen sich in Schweigen hüllten, als zwei Großfüße die Treppe heruntertrampelten und sich laut unterhielten.
    » Aconite«, rief er. » Komm her und sag mir, was du riechst.«
    Die graue Katze unterbrach, womit sie beschäftigt war– ein paar der kleineren Unbezähmbaren zu verprügeln, um sich wegen der Großfüße abzureagieren– und gesellte sich zu ihm.
    » Streck die Schnurrhaare aus«, sagte er. » Wie fühlt sich das Draußen für dich an?«
    Aconite plusterte das Fell, reckte die Schnurrhaare und versuchte, die verwirrende Welt vor den Fenstern und Türen zu begreifen. » Es stinkt nach Großfüßen«, sagte sie, » aber sie laufen wie Ameisen, immer auf den gleichen Wegen, auf und ab, auf und ab, nie in den Gärten. Ansonsten…« Die Katze streckte die Schnurrhaare aus, und Datura sah, wie sie erfreut die Augen aufriss.
    » Fleisch«, flüsterte sie. » Frisches Fleisch, im Gras, in den Bäumen, in der Hecke.« Aconites Schnurrhaare zitterten überrascht. Wie Datura hatte sie vom Hof her nur den säuerlichen Geruch von Vogelkot und Abfall gekannt, während es auf der Veranda nach Holzwurm roch. Seit Jahren hatte niemand die Fenster des Verrammelten Hauses geöffnet. Als ihr jetzt die saubere Luft in die Nase stieg, riefen Wind und Regen eine große Sehnsucht in ihr wach– die Erde unter den Pfoten und das buschige Gras am Bauch zu spüren.
    » Wo sind die Katzen?«, fragte Aconite und wirkte verwirrt. Ihre Nase war so empfindlich wie die eines wahren Jägers, doch der Wind wehte nur Duftspuren heran, nicht den starken, unverwechselbaren Geruch von Clanmarkierungen. Die Luft wisperte ihr zu, dass die Wilden Katzen manchmal hier entlangliefen, doch keine hatte das Revier für sich beansprucht oder Duftmarken hinterlassen. Wenn das Land nicht von den Wilden Katzen beansprucht wurde, dann gehörte es auch nicht den Großfüßen.
    » Die stärkste Witterung stammt von Ratten und Mäusen«, sagte Datura. » Und die Vögel weben Nester in den Büschen. Aber das Land gehört niemandem.«
    Datura betrachtete Aconite, wobei sein blaues Auge ruhig blieb. Es war eindeutig: Sie hatte keine Angst vor dem Draußen. Seine Schnurrhaare

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