Der Clan der Wildkatzen
die reichhaltigen Angebote der Großfußhäuser erkunden ließ, desto glänzender leuchteten seine Augen vor Gier. Hätte man das Verrammelte Haus einfach in Ruhe gelassen, wäre ihm das alles verborgen geblieben. Aber sein Zuhause war dem Wind und dem Regen und der Witterung der Beute geöffnet worden und so würde er das Draußen auch zu seinem neuen Zuhause machen.
Mit dem blauen Auge beobachtete er träge den Käfer, der sich nun in Richtung der Mauer und des blassen Sonnenscheins bewegte. Seine Gedanken kehrten zu den Wilden Katzen zurück. Wie waren die eigentlich? Bestimmt waren sie keine guten Jäger: zu sanft und zu freundlich. Sie gehörten zu der Sorte, die ihnen anbieten würden, ihre Welt zu teilen. Unbewusst fletschte er die Zähne bei dem Gedanken. Ein schwacher Clan also, der eher versuchte, mit jenen, die anders rochen, zu reden, anstatt sie geradewegs zu töten. Er dachte an das braune Kätzchen, das sich ins Verrammelte Haus verirrt hatte und wie es ihren Krallen und Zähnen entkommen war. Dieser kleine Kater und alle, die so waren wie er, hatten all die Jahre die Freiheit gehabt, durch das Land zu streifen, während er und seine Familie der Unbezähmbaren im Haus eingesperrt gewesen war…
Der Käfer krabbelte schneller und wackelte fröhlich mit den Antennen, als er nassen Schlamm roch.
Demnach sind sie keine Raubtiere , dachte Datura. Aber was waren die Wilden Katzen von Nizamuddin dann? Sein verrücktes Auge sah zum Himmel und anschließend auf den Käfer, der fast die äußere Kante der Fensterbank erreicht hatte. Der glänzende Rücken ruckelte hin und her, während er sich bemühte, vorsichtig hinunterzuklettern. Beiläufig schob Datura eine Pfote vor und holte aus. Dann bewegte sich die Pfote so schnell, dass sie nur verschwommen zu sehen war, und er schlug dem Käfer auf den Panzer. Das arme Wesen wurde in der Mitte zerquetscht und landete halb von Erde begraben auf dem Boden. Auf dem Rücken liegend, zuckten die Antennen noch einmal schwach, dann bewegte es sich nicht mehr.
» Beute«, sagte Datura laut und miaute langsam und scharf. Jetzt fühlte sich der weiße Kater schon viel besser. Er wusste, wie man mit Beute umzugehen hatte.
17
Furcht im Dunkeln
O bwohl es schon deutlich nach Mitternacht war und die Dämmerung den stark bewölkten Nachthimmel bald aufhellen würde, war der antike Stufenbrunnen gefüllt mit Katzen. Manche saßen in den Bäumen und waren froh, dass sie vom Laub vor dem Regen geschützt wurden. Die meisten hatten sich auf den Stufen versammelt, die bis hinab zum trüben grünen Wasser führten.
» Sie müssen alle kommen«, hatte Miao zu Katar, Hulo und Beraal gesagt, ehe sie eine dringende Nachricht über das Netz verbreitete. Die Katzen vom Schrein waren da und schwenkten die Schwänze wie Banner, Abol und Tabol und viele andere Kanalkatzen aber fehlten. Die Großfüße hatten einen riesigen Pavillon auf der Brücke aufgebaut, um eine Feier abzuhalten, und zwei große Gruppen der Kanalkatzen und der Marktkatzen lungerten in der Nähe des Pavillons herum und machten sich über die Reste her.
Die Siamkatze verharrte reglos auf der obersten Stufe und lauschte dem Aufruhr, der losgebrochen war, nachdem sie Katars Neuigkeit verbreitet hatte. Ihre zarte schwarze Nase arbeitete hart und suchte nach der Richtung, in welche die Entscheidungen gehen würden.
Katars Schwanz ging hin und her, während er sich vor Qawwali aufbaute.
» Natürlich ist das eine Sache, von der die Katzen des Viertels betroffen sind«, sagte Qawwali. » Ich fühle mit euch. Eine Plage von Unbezähmbaren ist sehr gefährlich. Aber was haben die Katzen vom Schrein damit zu tun? Das Verrammelte Haus befindet sich nicht in unserem Gebiet.«
» Glaubst du, die Unbezähmbaren werden unsere Grenzen respektieren?«, fragte Katar. Sein Miauen klang schärfer als gewohnt. Keiner der verschiedenen Katzenclans der Umgebung war es gewohnt, sich als Gruppe zu versammeln, außer hin und wieder zum Kampf. Miao war die Einzige, die sich noch an eine Zeit erinnern konnte, als die Katzen zu einer Clanversammlung gerufen worden waren. Das meiste konnten sie heutzutage über ihr Netz beraten und die Gegenwart so vieler anderer Katzen machte Katar nervös. Er hatte das Gefühl, dass sein Rücken ständig ungedeckt war.
» Aber wer sagt, dass die Unbezähmbaren uns überhaupt angreifen?«, fragte eine der wenigen Marktkatzen, die gekommen waren. Katar spürte in den Schnurrhaaren ein zustimmendes Zittern. Er
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