Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)
aufgefangen, wenn er auf ihr geritten war, aber jetzt war er stärker. Es roch ganz anders als die klebrig-süßliche Milch und Faolan musste beinahe würgen. Es war eine Warnung an potenzielle Eindringlinge. Dieser Bau und alles ringsum von der Weißkiefer bis zur Flussböschung und zu dem Erlengehölz hinauf gehörte Donnerherz – und ihm, ihrem Wolfswelpen. Diese Botschaft rief etwas in Faolan wach. „Das kann ich auch“, prahlte er.
Er vergrub sich in Donnerherz’ dickem, stark riechendem Pelz und kitzelte sie am Hals, leckte die Innenseite ihres Ohrs und purzelte dann von ihr herunter, um zum nächstbesten Baum zu rennen. Donnerherz schaute zu, wie er sein Hinterteil an den Baum drückte und seine Rute herunternahm. Er begreift schnell! , dachte sie zufrieden. Ich muss ihm gar nicht viel erklären. Faolan hatte sofort verstanden, wie wichtig diese Duftbotschaft war. Was für ein schlauer kleiner Kerl!
Ein Muskel an Faolans Schwanzansatz zog sich zusammen, als er sich an dem Stamm rieb. Dann spürte er, wie etwas freigesetzt wurde. Sofort rannte er herum und markierte jeden Baum, jeden Felsen und Stumpf, den er nur finden konnte. Meins! Meins! Meins! Der Gedanke durchrieselte sein ganzes Wesen. Aber das war erst der Anfang. Während er markierte, regte sich etwas in anderen Teilen seines Körpers. Plötzlich scharrte er wütend im Boden. Ein anderer Geruch drang aus den Zwischenräumen seiner Zehen. Der Ruf in seinem Kopf: Meins! Meins! Meins! , verwandelte sich in Bär! Bär! Bär! Etwas in ihm, das bisher tief in seiner Wolfsgeschichte geschlummert hatte, war aufgebrochen.
Aber Donnerherz war das einzige Tier, das er kannte. Er hielt inne und schaute sie wieder an. Die Bärin rieb sich an einem Baum. Nicht halb kauernd wie vorher, sondern hoch aufgerichtet und majestätisch. Sie sah ihn mit dem warmen bernsteinfarbenen Licht in ihren Augen an, das er so liebte, und doch lag auch eine Herausforderung in ihrem Blick. Schnaubend und bellend befahl sie ihm: „Na komm schon, komm!“
Faolan legte den Kopf schief. Dann sprang er hoch, um auf ihrem Buckel zu reiten. Doch bevor er sie einholen konnte, war sie schon bei einem anderen Baum, schwenkte dabei die Arme und schlug nach den Ästen über ihr.
Ein paar hellgrüne Blätter flatterten herunter und fingen das letzte Licht der sinkenden Sonne ein. Diesmal sprang Faolan hoch, um eines der Blätter in der Luft zu fangen. Donnerherz stieß ein leises, freundliches Grunzen aus, dann schüttelte sie die Äste erneut. Und wieder sprang Faolan hoch. Mit diesem Spiel vergnügten sie sich eine Weile und jedes Mal sprang Faolan ein bisschen höher.
Schließlich wandte sich Donnerherz von dem Baum ab und ging immer noch auf den Hinterbeinen weiter. Als sie zurückschaute, sah sie, dass Faolan ihr auf allen vieren folgte. Abrupt hielt sie an, drehte sich zu ihm um und ließ sich kurz auf den Boden hinunter. Dann richtete sie sich wieder auf und schwenkte die Arme wie vorher, als sie ihn dazu ermuntert hatte, zu den Blättern hochzuspringen. „Zwei Beine!“, kommandierte sie.
Faolan stand ganz still. Sie konnte geradezu sehen, wie er den Befehl, den sie ihm soeben gegeben hatte, in seinem Kopf herumwälzte. Dann richtete er sich auf die Hinterbeine auf. Donnerherz wagte kaum zu atmen. Zögernd machte Faolan einen Schritt vorwärts.
Die Bärin grunzte vor Freude und ließ sich wieder herunter, um Faolan unter dem Kinn zu lecken, wobei sie sanfte, schnaubende Laute von sich gab. Ihr Blick fiel auf einen niedrigen Strauch mit ein paar dicken Beeren und sie brach einen Zweig davon ab. Erneut richtete sie sich auf und schwenkte den Zweig vor Faolan hin und her. Er liebte diese Beeren und ging sofort auf die Hinterbeine. Diesmal machte er sogar vier Schritte! Donnerherz jubelte im Stillen.
Er machte Fortschritte und sie war stolz auf sich, weil sie es ihn gelehrt hatte. Bärenjunge konnten fast von Anfang an auf den Hinterbeinen gehen. Das war ganz natürlich für sie. Aber nicht für Faolan. Allmählich wurde ihr klar, dass Faolan nicht nur ein prächtiger kleiner Wolfswelpe war, sondern ein ganz und gar außergewöhnliches Geschöpf.
Als es dunkel wurde, ging Faolan schon fast so gut auf den Hinterbeinen wie ein Bärenjunges. Und in dem schmalen Zeitfenster zwischen dem letzten Tropfen Tageslicht und der ersten tiefvioletten Dunkelheit lernte er seine wichtigste Lektion. Er fing ein weißes Blitzen auf, als ein Hermelin in seinen Bau hinter einem hohen Gebüsch
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