Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)
Knochen zu Brei zu schlagen …
Nachdem der Raghnaid ihn entlassen hatte, machte sich Faolan unverzüglich auf den Weg. Lord Adair hatte ihn bis zur äußersten Grenze des Carreg-Gaer-Gebiets gebracht und ihm den Weg zu den anderen Rudeln des MacDuncan-Clans gewiesen. Außerdem hatte er ihm die Zerknirschungsrituale erklärt. Faolan hörte sich alles an, aber sein Geist war mit anderen Dingen beschäftigt. Die Worte des Oberhaupts hallten ihm in den Ohren wider.
Weißt du, was ein Gaddernag ist? Ein Wettbewerb, bei dem ein neuer Knochennager – der beste von allen – für die Vulkangarde ausgewählt wird … Du hast es in dir, Faolan. Du hast das Zeug, in die Garde gewählt zu werden. Deine Zähne sind prächtig und du besitzt Stärke. Nur leider fehlt es dir an Vernunft. Aber der Gaddernag könnte deine Chance sein, Faolan!
Jeder andere hochrangige Wolf hätte Faolan in einem solchen Fall mit einem scharfen Hieb auf die Schnauze fortgejagt. Aber Lord Adair nicht. Der Schlag, den er Faolan verpasste, war unerwartet sanft – halb Tätscheln, halb Knuffen. Ja, eigentlich ging sein Hieb ins Leere, weil Lord Adair es nicht über sich brachte, Faolan ins Gesicht zu blicken. Er sieht die Mondfäule in mir , dachte Faolan. Nur das Oberhaupt hat etwas anderes in mir gesehen.
„Pack dich, Knochennager!“, fauchte Lord Adair. „Und lerne aus deiner Schande! Wälze dich im Geruch deiner Nichtswürdigkeit und vergiss alle Träume vom Gaddernag . Du hast keine Chance. Denn während du auf dem Pfad der Schande wandelst, wie du es verdienst, beginnen die anderen Knochennager mit ihren Vorbereitungen.“ Er hielt kurz inne und fügte schadenfroh hinzu: „Du wirst den Wettkampf versäumen.“
Und so brach Faolan stillschweigend im Dunkeln auf – mit dem Knochen der Schande im Maul.
In der tiefsten, dunkelsten Nachtstunde erscheint die Welt wie leer gefegt. Es ist, als klaffte ein gewaltiges Loch am Himmel, wenn der Mond in andere Welten verschwindet, wenn die Sternbilder in fremde Hinterlande davonschlüpfen und die letzten winzigen Lichtfünkchen mit sich nehmen. Die Nacht wird schwarz und tot, bis sich der erste schwache Schimmer der Morgendämmerung am Horizont zeigt.
Faolan war noch nicht sehr weit gekommen, als Alastrines Heulen die Stille zerriss. Wie angewurzelt blieb er stehen. Es war so weit – das Oberhaupt war gestorben. Ein Schauder durchrieselte ihn von seinem gesträubten Nackenfall bis zum Schwanz hinunter, der noch immer fest zwischen seinen Beinen klemmte. Zum ersten Mal seit Faolan sich dem Clan angeschlossen hatte, war seine Unterwerfungshaltung echt.
Bald mischte sich Cathmors dünne Stimme in das Heulen der Skrielin . Die Wölfin trauerte um ihren Gefährten. Welch ein Unglück, dass er gerade jetzt sterben musste, zu einer Zeit, da keine Spur der Sternenleiter zur Höhle der Seelen zu sehen war. So nannten die Wölfe die Himmelskonstellation, deren Sterne bereits im Westen untergegangen waren. In ein paar Nächten würde sie ganz verschwinden – bis zum Ende der drei langen Wintermonde, die bald anbrachen. Für die wenigen Nächte, die noch blieben, heulte Cathmor ihren Dank ins Dunkel hinaus. Wäre es bereits Winter gewesen, hätte MacDuncans Seele bis zum nächsten Frühjahr warten müssen, um die Sternenleiter zu erklimmen und in die Höhle der Seelen zu gelangen.
Die Tonhöhe der Skrielin veränderte sich. Jetzt rief sie alle MacDuncan-Rudel zusammen, forderte sie auf, in den äußersten Westen zu ziehen, wo die Nacht noch jung war. Im dreifach verstärkten Presspfotenlauf sollten die Wölfe dorthin eilen, um die Sternenleiter einzuholen. Während der folgenden drei Nächte sollten sie die Morriah heulen, die Totenklage für ihr verstorbenes Oberhaupt. Faolans Bußgang zu allen MacDuncan-Rudeln und die Zerknirschungsrituale, die er auszuführen hatte, waren daher fürs Erste aufgehoben. Dabei wollte er das alles so schnell wie möglich hinter sich bringen. Aber Duncan MacDuncan war der einzige Wolf gewesen, den Faolan aufrichtig bewundert hatte. Tief in seinem Herzen spürte er eine Zuneigung, wie er sie nur für Donnerherz empfunden hatte.
Donnerherz! Der Name explodierte wie ein Stern in Faolans Kopf. Seit er beim MacDuncan-Clan war, hatte er ihr Grab nicht mehr besucht. Plötzlich sehnte er sich danach, den Knochen der Pfote zu berühren, die ihn einst behütet hatte. Zumindest wollte er in der Nähe dieser Pfote sein – das allein wäre ihm Trost genug.
Abrupt schwenkte er
Weitere Kostenlose Bücher