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Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)

Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)

Titel: Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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nach Süden ab und hielt auf den Fluss zu, aus dem Donnerherz ihn gerettet hatte. Das Wort „fao“ bedeutete zugleich „Fluss“ und „Wolf“, hatte sie ihm erklärt. „Lan“ bedeutete „Geschenk“. Und weil sie ihn aus den tosenden Stromschnellen gefischt hatte, war er in ihren Augen ein Geschenk, das der Fluss ihr gemacht hatte. Donnerherz hatte damals gerade ihr eigenes Junges verloren – ein Puma hatte es ihr genommen. Ihr Milchfluss war noch nicht versiegt und so wurde die Grizzlybärin Faolans zweite Milchmutter. Als Donnerherz gestorben war und Faolan ihre Überreste fand, hatte er den größten Knochen aus ihrer Pfote an sich genommen. In diesen Knochen hatte er die Geschichte jenes goldenen Sommers geschnitzt, den sie zusammen verbracht hatten. Er erzählte, wie sie hinter den Forellenschwärmen herschwammen und in den Stromschnellen standen, wenn die Lachse sprangen. Und wie sie die fetten Fische mühelos aus dem tosenden Wasser schöpften. Auch das erste Rentier, das sie erbeutet hatten, der Sommerbau und der Winterbau waren darin verewigt. Dann hatte Faolan den Knochen unter einem Felsüberhang auf einem hohen Bergrücken in der Nähe der Salzseen begraben. Es war ein guter Ort, weit genug von allen Wolfsrudeln entfernt, denn er wollte nicht, dass andere Wölfe den Knochen sahen. Es war seine Geschichte, seine Erinnerungen, die ihm heilig waren. Die Rudelwölfe hatten Regeln und Gesetze. Das hier war Faolans Gesetz. Und im tiefsten Mark seiner Knochen wusste er, dass er das Richtige getan hatte.
    Als er den Felsüberhang erreichte, zeigte sich gerade der erste schmale rote Lichtstreifen am Horizont. Die Sonne stieg höher, verblasste zu Rosa und verschwamm im strahlend blauen Morgenhimmel. Faolan brauchte nicht lange, um den Knochen zu finden. Sobald er hörte, wie die Klauen seiner Hinterpfote gegen den Knochen klickten, nahm er die Zähne zurück und grub behutsam mit dem Maul weiter. Schließlich hob er den Knochen mit der Zunge aus der Erde und leckte den Staub ab. Seine Augen füllten sich mit Tränen, als er die Zeichen auf dem Knochen sah, die die Geschichte seines ersten Lebensjahres erzählten. Er blickte von Donnerherz’ Pfote zu dem Knochen der Schande, den Heep geschnitzt hatte. Am liebsten hätte er den abscheulichen Knochen in die tiefste Stelle des Flusses geschleudert. Oder ins Feuer oder besser noch direkt in die Dunkelwelt. Aber dann breitete sich ein tiefer Frieden in ihm aus, als hätte eine Geisterpfote das Fell unter seinem Kiefer gestreichelt, die Stelle, an der ein Wolf am empfindlichsten ist.
    Faolan leckte den Pfotenknochen blitzsauber und betrachtete ihn. Makellos hoben sich die fein geschnitzten Linien gegen das Weiß des Knochens ab. Einen Augenblick schien es ihm, als sei er aus seinem Körper, aus seinem Fell geschlüpft und schwebe jetzt in der Luft. Er sah sich selbst, wie er hinter Donnerherz herschwamm, um zu fischen. Dann sah er einen winzigen Welpen, der nach Wurzeln und Knollen graben sollte. Stattdessen schnüffelte der kleine Frechdachs an einem schmutzigen Sandhügel herum. Ehe er sichs versah, hatte er ein Ameisennest freigelegt und jaulte sich das Herz aus dem Leib. Donnerherz stürzte zu ihm und schabte ihm mit ihrer rauen Zunge die bösen Ameisen aus dem Fell. Wie gern würde er sich jetzt von wütenden Ameisen beißen lassen, nur um bei Donnerherz zu sein, ihre raue Zunge zu spüren und ihrem gewaltigen Herzschlag zu lauschen.
    Oh Donnerherz, du fehlst mir so sehr,
    mir fehlt dein großes, dröhnendes Herz.
    Oh Donnerherz, du wirst immer bei mir sein,
    auch wenn du hinter dem Fluss
    im Sternbild des Großen Bären wohnst.
    Wenn meine Zeit kommt, Donnerherz,
    werde ich dich suchen.
    In einer fernen Nacht,
    im Himmel von Wolf und Bär
    sehen wir uns wieder.
    Ich werde dich finden, Donnerherz,
    wohin du auch wanderst.
    Dein Welpe, dein Bärenjunges
    auf ewig.
    Er sang für Donnerherz, aber er dachte die ganze Zeit an Duncan MacDuncan. An den Wolf, der ihm gesagt hatte, ihm fehle es an Vernunft, aber er habe die Chance, ein besserer Wolf zu werden.
    Fern von dem Ort, an dem der einsame Wolf um seine zweite Milchmutter trauerte, brach jetzt die Nacht herein. Cathmor, die Gefährtin des toten Oberhaupts, heulte ihren Schmerz in den Nordwind. In dieser zweiten Nacht der Morriah bemerkte sie einen leuchtenden grauen Nebel ganz oben an der Sternenleiter des Geisterpfads, der zur Höhle der Seelen führte.
    „Die Lochin! Lochin! “, rief sie. Im tiefsten

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