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Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)

Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition)

Titel: Der Clan der Wölfe 2: Schattenkrieger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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arbeitet nur einen einzigen Punkt oder Gedanken aus. Natürlich müsst ihr dabei besondere Sorgfalt walten lassen, das versteht sich von selbst.“
    Edme hob die Pfote. „Verzeiht, Ehrwürdiger Fengo, könnt Ihr uns vielleicht ein Beispiel nennen? Einen richtig guten Geschichtenknochen, den ein Knochennager in der Vergangenheit geschnitzt hat?“
    „Ah, eine sehr gute Frage. Den besten Knochen aller Zeiten hat zweifellos unser verstorbener Fengo geschnitzt. Er ritzte darin seine erste Begegnung mit Coryn ein, dem verstorbenen König von Ga’Hoole. Coryn war damals aus der Höhle seiner Mutter verbannt worden und in die Hinterlande gekommen. Das Besondere an seiner Geschichte waren nicht so sehr die Ereignisse, über die er berichtete, sondern die tiefen Gefühle, die darin zum Ausdruck kamen. Ein Ausgestoßener erzählt die Geschichte eines anderen Ausgestoßenen. Als hätte Hamisch erst aus seinem eigenen leidvollen Selbst herausfinden müssen, ehe er dieses und die Welt, in der er lebte, verstehen konnte. Hamisch stellte Coryns schweres Schicksal als Ausgestoßener dar – das Leid eines Wolfs, der von seiner eigenen Mutter, der tyrannischen Nyra, gehasst wurde. Und der zudem das Pech hatte, seiner Mutter so ähnlich zu sehen, dass er überall auf seinen Wanderungen Furcht und Schrecken verbreitete. Der Höhepunkt der Geschichte war Hamischs erste Begegnung mit Coryn. Er schilderte, wie ein Funke zwischen ihnen übersprang und ihre langjährige Freundschaft entfachte. Ein einfach geschnitzter, schlichter Knochen – ein Schienbein von einem Moschusochsen, glaube ich –, der die Geschichte einer tiefen Freundschaft erzählt.“
    Als hätte er erst aus seinem eigenen leidvollen Selbst herausfinden müssen, ehe er dieses und die Welt, in der er lebte, verstehen konnte. Die Worte des Fengo trafen Faolan bis ins Mark.
    Finbar legte den Kopf zur Seite und schloss die Augen, bis nur noch zwei grüne Lichtschlitze zu sehen waren. „Ein Knochen, der so voller Mitgefühl geschnitzt ist, lässt keinen Wolf unberührt. Ein Klassiker. Ein echter Klassiker.“ Ohne ein weiteres Wort ging der Fengo davon, als stehe er noch immer im Bann des denkwürdigen Schnitzknochens.
    Die Knochennager im Kreis schauten einander stumm an. Alle dachten dasselbe: Wie soll ich je etwas Vergleichbares zustande bringen? Nur Faolan dachte nicht an den Wettkampf. Er war wieder einmal weit weg, auf dem Bergkamm, wo das kleine Welpenmädchen ermordet worden war. Ermordet von einem Wolf!
    Er sah den Mörder vor sich, wie er den Steilhang zu dem flachen Tafelfelsen hinaufkletterte. Wann war er aufgetaucht? Lange nachdem Faolan gegangen war? Und wenn er dageblieben wäre und über die kleine Wölfin gewacht hätte, wäre sie dann gestorben, bevor der Mörder sie zerfleischen konnte? Aber hätte er dann auch der Versuchung widerstanden, das kleine Wesen zu retten? Fragen über Fragen schossen Faolan durch den Kopf, während die anderen Wölfe schon wieder eifrig nagten. Er hatte instinktiv gespürt, dass mehr hinter der Geschichte des kleinen Welpenmädchens steckte. Doch er hätte nie geglaubt, wie verworren und grausam diese Geschichte in Wahrheit war.
    Für die Knochennager, die am Wettkampf teilnahmen, war ein Schlafbau gegraben worden. Faolan schlief jedoch lieber allein. Selbst nach einem langen, harten Arbeitstag redeten die anderen Knochennager oft bis tief in die Nacht hinein und fast immer über den Wettkampf. Das ging ihm allmählich auf die Nerven. Zwar hüteten sie sich, zu viel über die Geschichte zu erzählen, die sie schnitzten, aber sie diskutierten eifrig über die Schwierigkeiten, auf die sie bei der Arbeit stießen. Faolan hatte noch keine zündende Idee für seine Geschichte und konnte folglich auch nichts verraten. Aber das kümmerte ihn nicht. Früher oder später würde ihm etwas einfallen, das wusste er. Die meisten Geschichten handelten von den Missbildungen der Knochennager und wie sie damit umgingen. Edmes Geschichte hatte Faolan besonders berührt – sie erzählte, wie ihr im Lauf der Zeit bewusst wurde, dass ihr das Auge, ohne das sie geboren war, im Grunde gar nicht fehlte. Stattdessen stellte sie sich vor, dass es irgendwo über ihr am Himmel schwebte, um über sie zu wachen und ihr Mut zu machen.
    Creakle schnitzte einen Knochen über seinen kraftvollen Sprung beim Todessprint, mit dem er das Rentier zu Boden gestreckt hatte. Er erzählte, dass er statt der fehlenden Pfote eine Lochin -Pfote besitze, die ihm gute

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