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Der Clown ohne Ort

Der Clown ohne Ort

Titel: Der Clown ohne Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Martini
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mittelalterliche Befangenheit. Alternativlos ist nur der Tod, auch im Politischen. Freiheit aber braucht Kritik und Perspektive.
    Spielend wollten wir den Kreis schließen, die Tragödie der Moderne zur Komödie machen. Womit ich bei einer weiteren Prämisse unseres Projektes bin: der Liebe zum Menschen. Und damit bei deinem Pessimismus dem Fortschritt gegenüber, den du so viel lieber als Mitschritt bezeichnen willst.
    Tatsächlich können wir Menschen in beinahe paradiesischen Zuständen leben. Warum nur geht alles so schrecklich schief, wo uns die Welt so offensteht wie selten zuvor, bei all den Möglichkeiten, die uns der Fortschritt (der uns lieber Mitschritt wäre) bietet?
    Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist das Konkurrenzdenken der Menschen, der Neid vielleicht, der nicht selten eine vernünftige Basis hat. Deshalb muss unser Glaube das Gemeinsame, im Gegensatz zum gemeinen Gegeneinander sein. Kennt schließlich nicht jeder Sieg auch einen Verlierer, es sei denn, man besiegt sich selbst? Nur: kämpfen müssen wir.
    Deshalb habe ich mich für ein Leben als Einsiedler entschieden. Ich will zurück zur Natur. Ich bin kein allzu großer Anhänger von Rousseau, das weißt du. Ich will mich nur für mein Menschsein nicht mehr schämen müssen. Das geht am besten, indem ich autark lebe. Es bleibt mein ganz persönlicher Ausweg. Ich kann und will nicht mehr für das Leid anderer verantwortlich sein. Ich …

aber
    »Ich konnte das Zeug einfach nicht zu Ende lesen. Ich würde gerne wissen, was der wirre Kerl diesmal intus hatte, als er das schrieb. Die letzten Wochen am Theater waren anstrengender, als ich dachte, und dieser kalte Weltkrieg … Hey babe, take a walk on the wild side! Ich finde das schon gut von Chris, mir ist da nur ’n bisschen zu viel Flucht im Spiel … ach, was weiß ich denn! Ist ja auch schon ein paar Wochen her. Der Herbst hat Einzug gehalten, wieder weidet seit Tagen diese schwergraue Berliner Wolkendecke auf Antennenwiesen. Ich hab Chris erst einen kleinen Brandbrief getextet, in dem er nur Erdnussschwanz hieß. Ein paar Tage später entschuldigte ich mich dafür. Man, war ich scheißwütend! Wo kommen wir hin, wenn nicht mal jemand wie er es versucht?! Na ja, jeder hat ein Recht auf sein Glück. Ich hab ja auch nicht wirklich erwartet, dass aus dem Projekt was Ernstes wird. Aber jetzt ist ja alles gut. Also fast – das könnte gleich ziemlich lustig werden. Ich hab mir nämlich vorhin ’ne Pille reingepfeffert, da war in deinen Fenstern plötzlich Licht. Ich wollte doch mit Bo feiern gehen. Ist ’ne gute halbe Stunde her. Das Zeug müsste eigentlich längst einschlagen.«
    »Was hast du?«
    »Kognitive Dissonanzen.«
    »Wie bitte?«
    »Du hast mich mal gefragt, ob ich schon eine kiffende Frau gefickt hätte. Hast du schon einen nachdenkenden Typen gefickt?«
    »Du hast ’nen Knall.«
    »Nee, im Ernst jetzt!«
    »Wie soll ich so was im Ernst beantworten?«
    »Wieso nicht?«
    »Oh, das ist gut.«
    »Deine Knöpfe sind aber ganz schön …!«
    »Hör nicht auf!«
    –
    »Ich musste gerade an Peaches denken.«
    »Es läuft ja auch gerade!«
    »Ah! Ja … du hättest zumindest Bescheid geben können.«
    »Ich hab dich am nächsten Tag angerufen. Du bist aber nicht rangegangen.«
    »Wieso warst du denn so lange weg?«
    »Ich brauchte eine Auszeit. Zwei Monate sind ja für ’ne Südamerika-Tour eh ziemlich knapp. Und jetzt?«
    »Wie, und jetzt?«
    »Ich meine, du erzählst mir die ganze Zeit irgendwas von Weltverändern, Alternativen und so ’m Kram – und jetzt?«
    »Das war doch Chris, nicht ich! Ich wollte ihm doch nur helfen. Jemand muss es ja versuchen! Außerdem kann man Dinge erst beurteilen, wenn sie zu Ende, vorbei, finito, terminado, fartig sind.«
    »Und was spielt das jetzt für ’ne Rolle in deiner Geschichte?«
    »Gar keine wahrscheinlich. Unser Projekt machte keinen Sinn mehr. Es hatte sich mit Chris’ Ausstieg selbst erschossen. Und als die anderen ihm in seiner Analyse zustimmten, hatte es sich ausrevolutioniert. Klar, vieles liegt im Argen und die Welt, die manchmal zu kompliziert für das einfache Glück ist, hatten wir auch nicht aus den Augen verloren. Als ich aber merkte, dass wir die Gier nach dem ständig Neuen, nicht sympathische Neugier, sondern die Gier nach dem ständig Neuen, kanalisieren würden, uns fallenließen, ohne den Druck dahinter, dass alles besser, anders oder wie auch immer sein muss, nachdem ich kapiert hatte, dass Liebe ist und

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