Der Clown ohne Ort
Bett kriegen, da bist du aufgewacht, hast von Elefanten und so ’m Zeug schwadroniert und bist gleich wieder umgekippt. Das machte alles gar keinen Sinn. Wer sind eigentlich Bela und Wilma? – ist ja auch egal, auf jeden Fall fiel Lana wieder ein, dass sie dich auf dem Heimweg am Alex gesehen und nach Hause gebracht hatte. Ganz verfroren wärst du gewesen. Ich wollte dir noch was zu trinken geben, ich wollte den Krankenwagen ja nur im letzten … da bist du aufgesprungen. Gerade lagst du noch da und plötzlich – du bist komplett ausgeflippt! Ich hab so was noch nicht erlebt! Wo du die Kraft herhattest!? Du bist durch die Wohnung gewütet, hast alles auf einen Haufen geworfen und geschrien, du wärst erwählt und so ’n Kram, und das um drei Uhr morgens. Lana fing zu weinen an und meinte zu dir nur, du hättest ja recht, alles sei gut. Du warst aber nicht mehr zu beruhigen, die Götter müsstest du auferstehen lassen, das wurde echt lustig. Du hast mich an den Schultern gepackt, wahnsinnig hast du mich angeschaut dabei, kindlich, weit weg, als sei’s ein albernes Spiel um Leben und Tod. Du hast die ganze Zeit ›Glaube, was du willst, nur glaube!‹ zu mir gesagt, so richtig beschwörend war das, ganz tief aus dir schien das zu kommen, wie besessen. Und dann hast du angefangen, Sachen an die Deckenlampen zu hängen, als Vorbereitung der Wiederkunft, im Flur sogar dein Fahrrad. Ich hab mich nicht mehr eingekriegt vor Lachen, es schien dir doch wieder so gut zu gehen! Du hast vom Rad abgelassen, bist in die Küche zum Sofa gehastet, ans Fenster, um rauszusehen, ob sie schon kämen. Beim Zurückkommen hast du von hinten nach vorne alles vollgekotzt und bist dann panisch in den Flur gerannt. Dort bist du zusammengebrochen, einfach umgeklappt bist du und hast grinsend gefiebert, so was wie Türen pflanzen und Schießt! Schießt! und dann warst du weg.«
Nach dem Sex der Pappen, ins Unbewusste gleiten, das Leid, die Glücksfälle, das Nachhallen von Liebe, Blicke ganz tief hinein in Gestik, Haltung, Mimik, Theater. Der Glasleuchter im Farbfernseher, zuckendes Licht. Die Tanzmeute unter der Empore, im Roses ekstatisch eingefroren, viel zu eng alles, Ekel schlüpfriger Onkel. Lana und B knutschend, auf dem Schimmel in der Bar, Lucard, den Naïn unter der Trauerweide plötzlich sympathisch fand. »Wir allein tragen nicht die Schuld«, hatte Lucard gesagt, »da ist das andere, dem wir die Verantwortung zuschieben, das uns die Last nimmt, die wir allein nicht tragen können. Nur ein Wort macht das.« Naïn verstand gleich, wie man alles gleich versteht, wenn man einen Multiplen schiebt, wo die Wellen Farben werfen, laute Farben, bunte Wellen, aus seinem Mund, grellweiß die Zähne. Naïn, der Lana, Lana, die Naïn Liebe schwor. Naïn, der B, B, die Naïn Liebe schwor, die Treue Dürstender, Welten versiegen, alles ständig neu, in jedem das Unmögliche. Du bist oben, also falle nicht, spring!
1. Auflage 2013
© Frankfurter Verlagsanstalt GmbH,
Frankfurt am Main 2013
Alle Rechte vorbehalten
Herstellung und Umschlaggestaltung: Laura J Gerlach
Umschlagmotiv: © Gert & Uwe Tobias
Satz und eBook: psb, Berlin
ISBN: 978-3-627-02194-8
www.frankfurter-verlagsanstalt.de
© Joachim Unseld
Thomas Martini , geboren 1980, verbrachte seine ersten Lebensjahre als Angehöriger der deutschsprachigen Minderheit in Transsilvanien, bevor er im Alter von zehn Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland zog. Nach dem Studium Mitarbeit bei verschiedenen Theaterproduktionen am Hexenkessel Hoftheater Berlin und der Biennale 06. Seit 2010 Initiator des Springsalon. Der Clown ohne Ort ist sein erster Roman.
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