Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Clown ohne Ort

Der Clown ohne Ort

Titel: Der Clown ohne Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Martini
Vom Netzwerk:
gesagt, und ich: Alles ist gut. Müde hatte sie gelächelt, sie mag nicht, dass ich immer das letzte Wort haben muss. »Wie alt bist du denn?«
    »Zweiundzwanzig.«
    »Das ist ein schönes Alter«, antworte ich, »das beste Alter ist das, genug hinter und genug vor sich hat man da, in voller Blüte steht man.«
    »Sollte man«, sagt sie, »man sollte.« Jetzt gleitet ihr Blick ins Ungefähre, kindlich weise, früh erwachsen geworden, rabenschwarz die Haare, berückender Kontrast zum blonden Bela, unsicher schillernde Blässe, moosgrün die Augen, dunkle Hirtin. Jetzt hält sie talwärts Ausschau. Ganz wohl scheint ihr nicht. Ein komischer Bergkauz muss ich der Schönen sein. Alles wird gut.

Irrer Einzeltäter oder Taliban-Aktion?, schreit eines der schwarz-roten Blätter. Naïn fragt nuschelnd nach Smoking und Pueblo. Er muss sich wiederholen. B kauft Club Mate und eine Taschenflasche Billigwodka. Sie trinkt etwas Mate ab und gießt dann Wodka auf.
    Ein Siebener hält hinter ihm. Der Fahrer lümmelt im stinkenden Nest, überzeugt, als bliebe der letzte Glücksbeweis das Kutschieren gefärbter Tierhäute. Naïn will die abstrusen Gedanken abschalten, die Stille brechen. B trinkt wirklich tiefe Schlucke von der Mischung, die Flasche schon halb leer, verwundert grient sie in sich, als gäbe es was zu retten. »Warte mal«, sagt sie plötzlich und geht zurück.
    Mit einem weiteren Mate-Wodka-Duo kommt sie wieder, stopft die Flaschen umständlich in ihre Jackentaschen und hält ihm einen zweiten Flachmann entgegen, während sie die erste Matemische leerzieht.
    »Was soll ich damit?«, fragt Naïn.
    »Du stellst auch immer die lustigsten Fragen, mein Lieber. Feta und Mütter verbrämen den Brahmanen, der Lebenswandel allein Macht, Käse – Lot!«
    »Jetzt also Dada, wa!?«, sagt er kokett, und sie, in astrein hohlem Oxfordenglisch: » The form of government that is most suitable to the artist is no government at all. Na? Von wem ist das, mein Lieber?«
    »Da muss ich passen, ganz weit nach links.«
    »Oh! ’s Wilde ist nur verlegene Äußerung unterbewusst agierender, jeder Kunst intrinsischen Natur.«
    »Das macht jetzt nicht wirklich Sinn.«
    »Mehr, als es scheint – selbst wenn: Ich bin ja auch betrunken, Bruder!«
    »Genau! Von wem war das denn jetzt?«
    »Oscar Wilde, The Soul of Man under Socialism. «
    »Das war doch ein anarchistischer Essay, oder?«
    »Sehr gut.«
    »Man erwartet von ihm ja nur so oberflächliches Zeug, was Exzentrisches, wie das Ding mit dem Hummer zum Beispiel, dabei ist der Text echt beeindruckend, megapolitisch. Ich hab den vor ein paar Jahren angelesen.«
    »Du solltest das auf jeden Fall zu Ende lesen, es gibt da mindestens zwei Dutzend Sätze, die sich ins Gehirn brennen, wie Feta und Mütter.«
    »Du hättest Mistress of Ceremonies werden sollen, MC B« – sie sehen sich entgeistert an, dann verschwörerisch, verwundert, wie immer, wenn man zur gleichen Zeit das Gleiche denkt, der Vorhang fällt, sie prusten los.
    »Da trifft der Hummer den Kopfhörer«, sagt sie, und er: »Wie MC Hammer, nur mit Glamour, wenn schon schlecht, dann richtig, wa? Nur schlecht ist recht, nihilistisch metaphrasieren, schräg verdenken.«
    »Ist gut jetzt!«, sagt B. Diesmal hat sie das letzte Wort. Die Süße der Hülsenfrucht hämoglobiert, fuck chlorophiert, chlorophylliert? sich prickelnd in den Gaumen, an rohe Erbsen denkt er, plötzlich Rufe, dann Geschrei, auf der anderen Straßenseite beginnt eine Schlägerei. Zwei gegen zwei, nein, drei gegen einen kämpfen sich lauthals Richtung Straßenmitte, drei Asiaten und ein Araber. Der versucht gerade wegzurennen, wie Wespen stechen sie abwechselnd mit bloßen Fäusten auf ihn ein, er kommt nicht weg, wankt, fällt aber nicht, es blitzt aus einer Faust, er wehrt sich wild ins Leere schlagend, flieht, jetzt entkommt er der Belagerung, da stellt ihm der Stärkste, gerade als Naïn ihn entwischen sieht, ein Bein. Steif wie ein Baumstamm klatscht er auf den Asphalt. Kurz halten die drei inne, da springt der Beinsteller hoch, echt hoch, krass, wie Karate sieht das aus, Hechtsprung, und trifft mit voller Wucht den Kopf des Gefallenen. Naïn springt jetzt los, automatisiert, läuft wild schreiend wie eine Furie auf die Angreifer zu, mucksmäuschenstill die Gaffer, zu falsch aufgestellten Zinnfiguren Erstarrte, fast meint er in einer hässlich frohen Fratze einen Kobold zu erkennen, Blut pulsiert im Schädel, er stupst den Starken an die Schulter, als reiche ein

Weitere Kostenlose Bücher