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Der Club der Gerechten

Der Club der Gerechten

Titel: Der Club der Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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kletterte über die niedrige Mauer. Als Jinx zögerte, trieb Tillie sie an.
    »Es ist gar nicht so übel«, sagte sie. »Du wirst sehen.«
    Zuerst hatte Jinx Todesangst und blieb dicht hinter Tillie, während sie sich durch einen, wie ihr vorkam, Dschungel aus Tunnels und Gängen kämpften.
    Dann kamen sie in Tillies »Wohnung«.
    Der größte Raum war ungefähr acht Quadratmeter groß; darin standen ein rostiger Ofen, ein schäbiges Sofa und um einen wackligen Tisch herum ein paar Stühle; es gab sogar einen Fernseher. »Siehst du?«, sagte Tillie. »Es ist doch wirklich nicht schlecht, oder?«
    »Geht der Fernseher?« Etwas anderes zu fragen war Jinx nicht eingefallen.
    Tilly zuckte mit den Schultern. »Ne, aber er macht den Raum irgendwie gemütlich. Und wer weiß?«, fügte sie mit einem zahnlückigen Grinsen hinzu. »Vielleicht kriegen wir eines Tages Kabelanschluss.«
    Ein halbes Dutzend wohnten in dem Raum, und als am Abend niemand versuchte, sie ins Bett zu kriegen, beschloss Jinx zu bleiben. Sie lebte jetzt seit drei Jahren dort, und Tilly und die anderen hatten ihr eine Menge beigebracht. Sie zeigten ihr, wo die besten Mülltonnen waren, hinter den Restaurants, in denen viel Essen landete. Ein paar der Küchenhilfen packten das Essen, das sie wegwarfen, sogar ein, damit Menschen wie Tilly – und nun auch Jinx – es leichter nach Hause mitnehmen konnten.
    Sie lernte, wie man schnorrte und überzeugend die Geschichte erzählte, jemand habe ihr das Bus-Ticket gestohlen, und sie brauche nur vierunddreißig Dollar, um nach Hause zu kommen. Nie hörte sie auf, sich zu wundern, wie viele Leute darauf hereinfielen.
    Man musste natürlich vorsichtig sein, damit man nicht zweimal dieselbe Person anbettelte, aber selbst wenn man erwischt wurde, konnte man immer in der Menge verschwinden, und bald sah derjenige, der einen anschrie, nur wie ein Verrückter mehr aus.
    Bald wurde sie auch eine geschickte Taschendiebin und war so gut darin, dass es nicht einmal Paul Hagen gelang, sie zu erwischen. Der Jammer war, dass man nicht mehr am Times Square herumhängen konnte, und jetzt verjagte Paulie sie schon zum dritten Mal in dieser Woche.
    »Und wohin soll ich?«, fragte sie.
    Paul Hagen zuckte mit den Schultern. »He, gib nicht mir die Schuld, ich befolge nur meine Befehle.«
    Auch Jinx zuckte mit den Schultern und überquerte den Broadway, wobei sie gerade laut genug fluchte, dass er es hören konnte, aber nicht verstand, was sie sagte. Sie bog eben in die Forty-third ein, als die Person, die sie gesucht hatte, plötzlich aus einer Menge auftauchte, die ins Theater eilte, um da zu sein, bevor der Vorhang zehn Minuten nach acht aufging.
    »Die Jagd fängt morgen an«, sagte die Person leise, schob Jinx einen dicken Umschlag in die Hand und verschwand wieder in der Menge.
    Jinx widerstand dem Wunsch, sich umzudrehen und zu sehen, ob Paulie Hagen beobachtet hatte, wie sie den Umschlag entgegennahm; sie huschte über den Broadway, tauchte in der U-Bahn unter und war verschwunden.
     
    Wenn Heather sich einen Tagtraum erlaubte, hielten sie und Jeff sich in seinem winzigen Apartment auf der West Side auf. Es war Sonntagmorgen, und sie trug eines seiner alten Hemden, eines, das ihr viel zu groß war. Das war in Ordnung; allein, dass sie es trug, gab ihr das Gefühl, Jeff näher zu sein. Die Sunday Times war auf dem ganzen Fußboden ausgebreitet, die Sonne strömte durch das Fenster, und wenn sie überhaupt jemals dazu kamen, sich anzuziehen, gingen sie raus, um vielleicht ein Stück Hefegebäck zu kaufen, durch den Morningside Park zu spazieren und die Vögel und Eichhörnchen zu füttern. Wie ein Film – einer der hübschen kleinen New Yorker Romantik-Filme, in denen es nie regnete –, es sei denn, die Heldin wollte im Regen spazieren gehen. Einer der Filme, in denen der Central Park eine ebenso perfekte Kulisse für Mondscheinspaziergänge wie für Raubüberfälle bot, in denen nirgends ein Betrunkener, ein Verrückter oder Schnorrer in Sicht war, geschweige denn ein Blizzard aus Müllpapier, das sich einem im vom Fluss her pfeifenden Wind um die Beine wickelte.
    Doch wenn sie sich zwang, der Wirklichkeit ins Gesicht zu sehen, war alles ganz anders. Sie war wieder im Apartment ihres Vaters mit Blick auf den Central Park, und draußen war es dunkel, und Jeff war tot.
    Sie wünschte, sie wäre nie ins gerichtsmedizinische Institut gegangen. Wenn sie diesen Telefonanruf von Keith Converse einfach ignoriert hätte und zu Hause

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