Der Club der Gerechten
sie sein. »Komm schon«, sagte er. »Du weißt, was Sache ist.«
Und Jinx wusste es. Sie hatte es nicht gewusst, als sie vor drei Jahren aus Altoona in die Stadt gekommen war. Damals hatte sie nur vom Freund ihrer Mom wegkommen wollen, der entschieden hatte, dass sie, obwohl erst zwölf, viel sexier war als ihre Mutter. Und vielleicht war sie das auch. Ihre Figur war ganz bestimmt besser gewesen als die ihrer Mom, was Elvin – zum Teufel, was war Elvin überhaupt für ein Name – ihr dauernd gesagt hatte, wenn er sie jeden Abend befummelte, nachdem ihre Mom sich bewusstlos getrunken hatte. Also hatte sie Elvin niedergeschlagen, ihm mit einer der leeren Flaschen ihrer Mom eins auf den Schädel gegeben und war abgehauen. An die hundert Meilen war sie mit einem alten Kerl, der seinen Schwanz herausgeholt, aber wenigstens nicht verlangt hatte, dass sie ihn anfasste, per Anhalter gefahren. Bei einer Tankstelle in der Nähe von Milton war sie ihm ausgebüxt und hatte einen Bus genommen, der sie nach New York brachte. Anfangs trieb sie sich auf dem Busbahnhof herum, schlief auf einer Bank und aß beim Imbiss, und es war die Frau hinter dem Tresen gewesen – hatte sie nicht Marge geheißen? –, die Amber Janks ihren Spitznamen verpasst hatte. »Du armes Kind«, sagte sie, nachdem Amber ihr erzählt hatte, warum sie von zu Hause weggelaufen war. »Du hast wirklich den falschen Namen, nicht wahr? Eigentlich solltest du Jinx heißen und nicht Janks.«
Und bei Jinx war es seither geblieben; jetzt dachte sie selbst nicht mehr daran, dass sie eigentlich Amber Janks hieß.
Amber Janks war tot, aber Jinx war sehr lebendig und achtete sehr auf sich.
Sie hatte nicht lange gebraucht, um herauszukriegen, wie. Am Anfang hatten ein paar Männer gesagt, sie wollten für sie sorgen, und Jinx hatte ihnen geglaubt. Zumindest so lange, bis sie versuchten, sie ins Bett zu zerren. »Komm schon, Baby«, hatte Jimmy Ramirez zu ihr gesagt. »Mit dem Körper können wir ein Vermögen machen, aber du musst wissen, wie du ihn am besten einsetzt.«
Das hatte ihr schon Elvin erklärt, und Jinx hatte es gehasst. Als Jimmy anfing, ihr die Kleider herunterzureißen, hatte sie gerade lange genug getan, als helfe sie ihm dabei, bis sie das Messer in die Hand bekam, das er in der Tasche trug. Nachdem sie ein paar Tage später hörte, dass Jimmy tot war, fragte sie sich, ob sie ihn getötet hatte, kam dann aber zu dem Schluss, dass es sie nicht sehr interessierte.
Der andere Typ, der ungefähr vierzig war, gab sich überhaupt nicht so wie Jimmy. Er sah richtig nett aus, trug Jeans mit Bügelfalten und ein kariertes Hemd. Und er wollte auch nicht ihr Zuhälter sein. Er sagte, er wolle sie nur zum Essen einladen. Das hatte er auch ein paar Mal getan. Aber dann legte er, als sie bei McDonald's waren, die Hand auf ihren Oberschenkel, und sie wusste, was das bedeutete.
Diesmal stand sie nur auf und ging. Was hätte sie auch tun sollen? Ihm eines der beschissenen kleinen Plastikmesser in den Leib rammen?
Später traf sie Tillie, und alles wurde besser. Tillie hatte sie nach Hause mitgenommen – nun ja, an den Platz, den Tillie zu Hause nannte, und schon nach zwei Wochen war es auch für Jinx ein Zuhause. Es waren ganz einfach nur zwei große Räume in der Nähe der Grand Central Station, in die man über Gleis 47 in der Station selbst gelangte.
»Achte auf gar nichts«, hatte Tillie ihr gesagt, als sie den höhlenähnlichen Warteraum betraten. »Wenn du die Leute nicht anschaust, schauen sie dich auch nicht an. Wenn du nicht redest, werden sie nicht reden. Und wenn du einfach weitergehst, werden die Bahnpolizisten dich nicht beachten.«
Sie gingen durch den Wartesaal, eine Rampe hinunter und folgten einem Schild, das auf die Gleise verwies.
Endlich öffnete Tillie die Tür, die zu Gleis 47 führte und stieg die Stufen zum Bahnsteig hinunter.
Auf den Gleisen standen keine Züge, der Bahnsteig war menschenleer.
Die Luft roch muffig.
Rechts waren noch mehr Bahnsteige, noch mehr Gleise.
Links erhob sich eine niedrige Mauer, dahinter war ein Gewirr aus Rohren, Laufstegen und Leitern. Von hoch oben fiel ein schwacher Schimmer Tageslicht durch ein Gitter.
»Der kommt von der Straße da oben«, erklärte Tillie. »Wo ich früher mal gewohnt habe.«
Am Ende des Bahnsteigs warnte ein Schild die Menschen davor, weiterzugehen, aber Tilly ignorierte es, lief rasch eine nächste Rampe hinunter und dann auf die Gleise selbst. Sie überquerte Gleis 47 und
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