Der Club der Gerechten
begrüßte. »Bin nur ich«, setzte Tillie hastig hinzu, und Liz ließ ihre zitternde Hand von der Kehle in den Schoß fallen. Sie war kaum imstande, Tillie in die Augen zu schauen, als sie ihr eine Tasse Kaffee anbot.
»Ich hab fast keinen mehr, aber Burt hat gesagt, er bringt mir morgen welchen.«
»Nein, danke«, sagte Tillie, die wusste, dass Burt, Liz' Ehemann, ihr kaum etwas bringen konnte, da er vor drei Jahren gestorben war. Aus der Manteltasche holte sie ein paar Scheine von dem Geld heraus, das Eve Harris ihr gegeben hatte. »Vielleicht hilft dir das ein bisschen«, sagte sie. Dann fiel ihr noch etwas ein und sie nahm einen der Handzettel aus der Tasche, die Jinx am Abend vorher nach Hause gebracht hatte. »Schau dich nach diesen beiden um. Wenn du sie siehst, sag es einfach einem von den Jungs. Aber ich glaub nicht, dass sie's so weit schaffen werden.«
Nervös nahm Liz den Zettel, betrachtete die beiden Gesichter und gab Tillie das Papier hastig zurück. »Ich weiß nich«, jammerte sie. »Ich will's versuchen, aber du kennst mich – wenn Burt nich hier ist, fürcht ich mich vor meinem eigenen Schatten.«
Tillie nahm das Papier, denn sie wusste, wenn sie es nicht tat, würde Liz sich stundenlang den Kopf zerbrechen, wie sie es los werden könnte. Aus Angst, es könnte auf den Boden geweht werden, würde sie sich nicht trauen, es auf den Tisch zu legen, und in ihr Zelt würde sie es auch nicht bringen können. Liz hatte eine krankhafte Angst vor jeder Art von Abfall, und wenn sie den Handzettel behielte, würde er sie noch verrückter machen als sie ohnehin schon war.
»Mach dir deshalb keine Sorgen, Liz«, sagte Tillie und streckte automatisch die Hand aus, um ihr tröstend den Arm zu tätscheln. Liz schreckte jedoch vor der Berührung zurück, und so stieg Tillie wieder zum Weg hinauf. Bei ihrem Einkaufswagen angekommen, warf sie einen Blick hinter sich und sah, dass Liz schon fleißig dabei war, die Fußstapfen wegzukehren, die Tillie beim Zelt hinterlassen hatte. »Verrückt«, murmelte Tillie, schüttelte traurig den Kopf und schlurfte weiter.
Sie verließ den Park und steuerte auf den Broadway zu. Am Eingang zur U-Bahn erkannte sie ein halbes Dutzend Leute, die dort herumlungerten. Eddie spielte auf seiner Klarinette, den Instrumentenkasten offen zu Füßen. Tillie legte zwanzig Dollar hinein und schob ihm einen Handzettel in die Tasche. Eddie blinzelte ihr zu, ließ aber keine einzige Note aus, und Tillie ging weiter.
Der blinde Jimmy – dessen Augen nicht schlechter waren als die Tillies – kam, mit seinem Stock auf das Pflaster tappend, eben über die Straße. Er hielt sich am Arm von jemand fest, den Tillie noch nie gesehen hatte. Sie fuhr den Einkaufswagen dicht an den Bordstein, parkte ihn neben einer Mülltonne und hörte Jimmy zu, der seinen Spruch herunterrasselte: »Ich könnt eine Tasse Kaffee und vielleicht 'ne Quarktasche brauchen. Ich glaub, im nächsten Block ist ein Starbucks. Wenn Sie nur ...«
Aber sein Ziel – ein Mann von etwa Dreißig im Anzug – entfernte sich schon, und eine Sekunde später suchte der blinde Jimmy nach einem nächsten Opfer. Diesmal war es eine ungefähr vierzigjährige Frau in einem khakifarbenen Trenchcoat. Der blinde Jimmy näherte sich ihr von der Seite. »Ist das die Seventy-second Street?«, fragte er. Tillie konnte die Antwort der Frau nicht hören, doch eine Sekunde später vernahm sie wieder Jimmys Stimme. »Wenn Sie mir nur hinüberhelfen könnten, wär ich Ihnen sehr dankbar.« Diesmal hatte Jimmy mehr Glück – die Frau gab ihm einen Dollar, bevor sie weiterging. Der blinde Jimmy wartete nicht, bis die Ampel grün wurde, sondern flitzte über die Straße zurück, was Tillie verriet, dass er jetzt genug Geld für einen Besuch im Schnapsladen hatte. Er entdeckte sie, bevor er den Gehsteig erreichte, drehte bei und kam auf sie zu. »He, Till? Was tut sich?«
»Jagd«, sagte Tilly. Sie schob ihm einen Handzettel und ein paar Geldscheine in die Hand.
»Hab noch nie einen von den zwein gesehn«, sagte Jimmy.
»Halt einfach nur die Augen offen.«
»Mach ich immer«, gackerte Jimmy. »Mach – ich – immer.«
Die nächsten zwei Stunden spazierte Tillie den Broadway hinunter und gab jedem, den sie kannte, ein bisschen Geld und einen Handzettel, und als sie keine Handzettel mehr hatte, machte sie sich auf den Heimweg. Der größte Teil des Geldes, das Eve Harris ihr gegeben hatte, war noch in ihrer Tasche. Sie wollte es nur sparsam
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