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Der Club der Gerechten

Der Club der Gerechten

Titel: Der Club der Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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den Nischen falsch geschätzt?
    Doch das war nicht mehr wichtig, denn der Zug war schon dicht vor ihm. Seine Pfeife gellte durchdringend, und das schrille Kreischen von Metall auf Metall, als der Lokführer zu bremsen versuchte, war ohrenbetäubend.
    In dem Augenblick, in dem er zu Boden ging, packte ihn etwas von hinten. Er wurde hochgehoben und landete in der Nische, die er versucht hatte zu erreichen. Im nächsten Moment knallte er gegen die Rückwand, als auch Jagger sich in die Nische drängte. Die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst, als Jagger auf ihn prallte, und er rang nach Atem, als der Zug – noch immer schrill pfeifend, aber jetzt ohne zu bremsen – dröhnend vorüberraste.
    Als Jeff endlich wieder zu Atem kam, war es vorbei. Der letzte Waggon ratterte vorüber, und das Donnern der Lokomotive, durch die Länge des Zuges schon etwas gedämpft, erklang immer schwächer. Die Rücklichter des letzten Wagens wurden schnell kleiner und verschwanden dann ganz.
    Noch immer an ihn gepresst, sagte Jagger schließlich. »Biste okay?«
    Es gelang Jeff, zu nicken, und Jagger trat ein wenig zurück, um ihm mehr Raum zu geben, aber nicht so viel, dass er stürzen konnte, falls die Beine ihn nicht mehr trugen. Jagger ließ die Hände auf Jeffs Schultern liegen, und Jeff überprüfte langsam seinen Körper. Seine Beine schienen in Ordnung zu sein, aber sein rechtes Knie schmerzte heftig, obwohl er sich nicht erinnerte, im Fallen darauf gestürzt zu sein. Seine beiden Handteller brannten, aber am schlimmsten brannte seine rechte Wange, wo er sich die Haut aufgerissen hatte. Doch er war am Leben, und das Dröhnen des Zuges verhallte schnell. »Ich bin in Ordnung«, gelang es ihm zu sagen. Jagger trat wieder auf die Schienen hinaus. Jeff folgte ihm, aber die Knie zitterten ihm so sehr, dass er sich an der Tunnelwand festhalten musste. »Ich hab gedacht, du bist in die andere Richtung gelaufen«, sagte er und seine Stimme zitterte fast genauso heftig wie seine Knie.
    »Bin ich auch, aber dann hab ich mir gedacht, v'lleicht weißte ja, von was du redest«, antwortete Jagger. »Sieht so aus, als ob, wenn ich's nich getan hätt ...« Er verstummte, aber Jeff wusste genau, was seine nächsten Worte gewesen wären.
    »Bin dir was schuldig«, sagte er. »Eine Menge ...«
    Im Halbdunkel des Tunnels grinste Jagger. »Also überleg dir, wie du uns hier rauskriegst, Collegeboy. Wennde das schaffst, sind wir quitt.« Er schaute in die Richtung, aus der der Zug gekommen, und dann wieder in die andere, in die er verschwunden war. »Irgend 'ne Ahnung, in welche Richtung wir soll'n?«
    Jeff nickte. »Glaub schon. Aber zuerst sag mir, ob ich Recht habe, dass der Zug schneller geworden ist, bevor er abbremste.«
    Jagger runzelte die Stirn. »Und wenn?«
    »Wenn wir beide der Meinung wären, dass er schneller wurde, heißt das, dass er von einem Bahnhof gekommen sein muss, richtig?«
    Jagger zuckte mit den Schultern. »Denk schon.«
    »Verlassen die Züge von allen Stationen die Stadt nicht in Richtung Norden?«
    »Wieso verdammt soll'n ich das wissen?«, knurrte Jagger.
    Jeff ignorierte die Frage. »Denn wenn das stimmt, dann wissen wir wenigstens, in welche Richtung wir gehen sollten.« Er zeigte dahin, wohin der Zug verschwunden war. Das Rumpeln war jetzt fast völlig verstummt. »Wenn der Zug aus der Penn Station gekommen ist, muss dort Norden sein. Dann ist er ziemlich bald beim Fluss. Die Schienen kommen ungefähr bei der Seventy-second Street an die Oberfläche – wir könnten direkt aus diesem Tunnel nach oben gelangen.«
    Sie eilten in – Jeffs Meinung nach – nördlicher Richtung weiter, und diesmal achtete er sehr sorgfältig darauf, wie viele Schritte es bis zur nächsten Nische waren.
    Einhundertvierundachtzig.
    »Ich hätt's nie geschafft«, sagte Jagger leise, und Jeff begriff, dass sie beide versucht hatten, die Entfernung zu messen. »V'lleicht bin ich dir auch was schuldig.«
    Sie gingen weiter, bis sie den Durchgang kreuzten, durch den sie am Anfang gekommen waren.
    Beide gerieten nicht in Versuchung, hineinzugehen.
    Ein paar hundert Meter weiter packte Jagger die Schulter Jeffs. »Du heilige Scheiße«, hauchte er. »Schau dir das an!«
    Im ersten Moment traute Jeff seinen Augen nicht – es musste eine Halluzination sein. Aber nach ein paar Schritten erkannte er, dass es keine Sinnestäuschung war.
    Vor ihnen war Licht.
    Tageslicht.

23. Kapitel
    Dass der Anrufbeantworter in Jeffs Apartment blinkte und piepste kam

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