Der Club der Serienkiller
spitzes Mäusegesicht Richtung Betty, die Augen zusammengekniffen, die vorstehenden Schneidezähne entblößt. »Entweder fickst du einen Typen oder nicht.«
»Wir sind nicht alle wie du, Miss Bankhead«, sagt die eingebildete Cher.
»Als ob irgendein Mann was von dir wollte, Tallulah.« Beim Klang von Burts nasaler Stimme verzieht Tallulah finster das Gesicht und zeigt ihm trotzig den Stinkefinger.
»Du solltest dir ein Tattoo machen lassen. Quer übers Gesicht.«
Betty kommt ganz aus dem Konzept und verhaspelt
sich; wieder scheint ihre Selbstsicherheit wie weggeblasen. Tony schnippt mehrmals mit dem Finger, wie ein Hypnotiseur, der jemanden aus der Trance zurückholt - nur dass die anderen nicht daraus erwachen, egal wie laut er auch schnippt. »Hey! Ihr kennt die Regeln. Wer seine Geschichte erzählt, wird nicht unterbrochen!«
Betty reißt sich zusammen, sammelt sich wieder und nimmt drei große Schlucke Wein. Nachdem sie ihren Mund mit einer Serviette abgetupft hat, fährt sie fort.
»Wie auch immer, äh... Dieser Schweißer... Jedes Mal, wenn ich neben ihm aufgewacht bin, hätte ich mich am liebsten umgebracht. All diese schrecklichen Dinge, zu denen er mich gezwungen hat. Doch eines Tages ging mir ein Licht auf. Ich hatte diese wunderbare Eingebung, sah alles klar und deutlich vor mir. Ich bin schnurtracks in seine Werkstatt marschiert, habe mir seinen Schneidbrenner geschnappt, ihn angeworfen und... tja, sagen wir mal so, seine Schreie hätten Glas zum Springen bringen können.«
Betty nippt erneut an ihrem Wein und beugt sich auf ihrem Stuhl nach vorne; ich bin mir absolut sicher, dass sie bereits sturzbetrunken ist. Mit ihrem ziellosen Blick und verschmierten Lippenstift wirkt sie so ganz anders als die sanfte, langweilige Frau, die so wenig dazu beigetragen hat, uns zu Beginn des Abends zu unterhalten. Ich finde, ihr jetziges Aussehen passt besser zu ihr.
Sie dreht sich um, und aus irgendeinem Grund richtet sie ihr Augenmerk ganz besonders auf mich - ihre Pupillen sind geweitet, und ihre Stimme
wird von Sekunde zu Sekunde trauriger, sie wirkt jetzt in sich gekehrt und emotional, wie benebelt. Und ich weiß sofort, was sie gleich sagen wird. Sie hat Tränen in den Augen, als sie die Clubmitglieder der Reihe nach mit entrücktem Blick mustert. Ihr Kinn und ihre Unterlippe fangen an zu zittern. »Ich, äh...« Sie holt theatralisch Luft, wie ich es zigfach in Filmen gesehen habe. »Ich schätze, das hängt vor allem mit meiner Kindheit zusammen...«
Mein Gott, gerade als ich angefangen habe, mich zu amüsieren. Ich steige sofort aus. Nicht schon wieder die alte Kindheitsleier. Kennst du eine Geschichte, kennst du alle. Bettys Stimme verhallt allmählich, während ich mich auf ein kurzes Gebet konzentriere, das mir durch den Kopf geht.
Nur einmal, lieber Gott, möchte ich etwas Originelles hören. Jedes Mal geben sie unweigerlich ihrer Mutter die Schuld.
Ich starre aus dem Fenster und beobachte, wie der Regen auf die gebeugten Häupter der Passanten niederprasselt. Es kommt mir so vor, als ginge es im Leben wirklich um nichts anderes, als trocken zu bleiben.
Dann betrachte ich erneut die nicht gerade begeistert lauschenden Mitglieder und frage mich, wen ich als Erstes töten werde.
»Ich bewundere die Menschheit. Ich bewundere, wie sie es schafft zu überleben. Ein Krieg nach dem anderen, und es gibt uns immer noch - wir haben überlebt. Seuchen, Überschwemmungen, Erdbeben - was uns auch zustößt, das kann uns
alles nichts anhaben. Darin liegt das Geheimnis, versteht ihr, der Schlüssel zu allem. Dass wir am Ende überleben.« Carole - stämmig, Mitte vierzig, 1,90 groß, mit Bart und starkem Mundgeruch - hockt an der Bar. Die anderen Mitglieder sind längst aufgebrochen, und einige von uns führen jetzt ein etwas ungezwungeneres Gespräch. Als Betty fertig war, habe ich lauter als sonst applaudiert, aber nur weil ich finde, dass sie ziemlich attraktiv wäre, wenn sie zu einem guten Friseur ginge, ihre dicke Brille mit dem rosafarbenen Gestell abnähme und sich ordentlich Fett absaugen ließe.
Carole hat nicht geklatscht. Er ist distanziert und ernst geblieben und hat so getan, als hätte er das alles schon mal gehört. Allerdings tut er das immer, und ich bin nicht der Einzige, der ihn für unerträglich arrogant hält. Man erzählt sich, dass die Mitglieder sich beherrschen mussten, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen, als er dem Club beigetreten ist. Während er mit seiner lauten,
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