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Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Titel: Der Club der unsichtbaren Gelehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Schnellkutsche reist, sind die Passagiere, die auf dem Dach Platz genommen haben, sogar in einer milden Herbstnacht Temperaturen ausgesetzt, bei denen Türknäufe einfrieren würden. Es gibt Leder- und Wolldecken unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Dicke und unterschiedlichen Geruchs. Überleben ist nur möglich, indem man sich in den größten Kokon einwickelt, den man zustande bringt, und das am besten zu zweit; zwei Leute können rascher Wärme entwickeln als einer allein. Theoretisch könnte das alles zu Techtel oder Gemechtel führen, aber die Sitze der Kutsche und die Holprigkeit der Straße bewirken, dass derlei Dinge nicht das vornehmliche Interesse des Reisenden sind, denn der träumt sehnsüchtig von weichen Kissen. Obendrein hatte es jetzt auch noch ganz fein zu regnen angefangen.
    Juliet reckte den Hals und schaute auf die Plätze hinter ihnen, aber dort lagen nur die Berge aus feuchten Decken, die den Reisenden als Antwort auf Beschwerden hinsichtlich der kalten Luft geboten wurden. »Du glaubst doch nicht, dass die beiden was voneinander wollen, oder?«, fragte sie.
    Trev, der selbst in mehrere Decken eingerollt war, brachte lediglich ein Grunzen zustande, fuhr dann aber fort: »Ich glaube, er bewundert sie. Er ist nämlich immer ein bisschen befangen, wenn er in ihrer Nähe ist, mehr weiß ich auch nicht.«
    Das muss einfach eine Romanze sein, dachte Glenda. Nicht unbedingt wie diejenigen, die jede Woche von Iradne Comb-Buttworthy feilgeboten werden, sondern irgendwie … wirklicher, wahrer. Und es fühlt sich sehr, sehr merkwürdig an.
    »Wussten Sie, dass sämtliche Orks nach dem Krieg zur Strecke gebracht und getötet wurden? Alle, auch die Kinder«, sagte Nutt.
    So etwas sagen die Leute in einer romantischen Situation nicht, dachte Glenda. Aber trotzdem ist es so was, ergänzte sie.
    »Aber sie wurden dazu gezwungen«, erwiderte sie. »Sie hatten Kinder. Kapiert?« Soll ich ihm von dem Zauberspiegel erzählen?, fragte sie sich. Mache ich damit etwas besser oder eher noch schlechter?
    »Es waren schlimme Zeiten«, sagte Nutt.
    »Also, sieh’s doch mal so«, sagte Glenda. »Die meisten Leute, die über Orks reden, haben keine Ahnung, wovon sie reden, und der einzige Ork, den sie jemals zu Gesicht kriegen werden, bist du. Einer, der wunderschöne Kerzen macht. Einer, der die Fußballmannschaft trainiert. Das bedeutet sehr viel. Du zeigst ihnen, dass Orks nicht herumlaufen und anderen Leuten den Kopf abreißen. Und darauf kannst du stolz sein!«
    »Na ja, der Fairness halber muss ich sagen, wenn ich mir die Radialkraft vorstelle, die notwendig gewesen sein muss, um einen Kopf wirkungsvoll und gegen den Wunsch seines Besitzers vom Rumpf loszudrehen, bin ich schon ein bisschen beeindruckt. Aber nur jetzt, wo ich hier mit Ihnen zusammensitze. Zuvor wollte ich einfach nur in die Berge. Ich glaube, auf diese Weise haben wir damals überlebt. Wer sich nicht von den Menschen fernhielt, musste sterben.«
    »Da hast du nicht ganz unrecht«, sagte Glenda, »aber das solltest du vorerst wohl lieber für dich behalten.« Sie sah eine überraschte Eule, die kurz von den Lichtern der Kutsche angestrahlt wurde.
    Dann sagte sie, weiter geradeaus in die Dunkelheit starrend: »Diese Geschichte mit dem Gedicht …«
    »Woher haben Sie es gewusst, Fräulein Glenda?«, fragte Nutt.
    »Du sprichst viel über Güte.« Sie räusperte sich. »Und unter diesen Umständen finde ich, dass Glenda völlig ausreicht.«
    »Du bist sehr gütig zu mir gewesen«, sagte Nutt. »Du bist zu allen freundlich.«
    Glenda verscheuchte eine Vision von Herrn Ottomy und sagte: »Nein, das stimmt nicht, ich schreie alle ständig an.«
    »Ja, aber es ist nur zu deren Bestem.«
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Glenda. »Keine Ahnung. Soll ich dir etwas Interessantes über Schiffe erzählen?«
    Das hatte Glenda nun nicht unbedingt erwartet, andererseits war es hundertprozentig Nutt. »Ja, erzähl mir doch bitte etwas Interessantes über Schiffe.«
    »Das Interessante bei Schiffen ist, dass die Kapitäne von Schiffen immer sehr vorsichtig sein müssen, wenn zwei Schiffe auf See dicht beisammen sind, besonders wenn die See ganz ruhig ist. Sie neigen nämlich dazu, zusammenzustoßen.«
    »Weil der Wind in verschiedene Richtungen bläst und so weiter?«, sagte Glenda und dachte: Theoretisch ist das hier eine Liebesromansituation, und ich erfahre jetzt gleich etwas über Schiffe. Bei Iradne Comb-Buttworthy kommen nie Schiffe vor.

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