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Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Titel: Der Club der unsichtbaren Gelehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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aufklappbare Trittleiter aufgeklappt wurde.
    Er fuhr herum. »Halt das verdammte Ding gerade!«, fauchte er.
    »Tschuldigung, Meister!«, sagte sein derzeitiger Lehrling und versuchte, das rutschende, die Finger zerquetschende Ungetüm im Zaum zu halten, in das sich jede Trittleiter bei der erstbesten Gelegenheit verwandelt, und oft sogar auch ohne eine solche.
    »Und mach nicht so’n Krach!«, polterte Schmiers. »Willst du für den Rest deines Lebens Tropfer bleiben?«
    »Eigentlich bin ich ganz gerne Tropfer, Meister …«
    »Ha! Mangel an Ehrgeiz ist der Fluch der arbeitenden Klasse! Gib mir das Ding mal!«
    Der Kerzenknappe packte die Leiter genau in dem Moment, in dem sein unglücklicher Assistent sie zuklappte.
    »Das tut mir jetzt echt leid, Meister …«
    »Am Dochttaucherbottich ist immer ’ne Stelle frei, weißt du?«, sagte Schmiers und blies sich auf die Knöchel.
    »Schon klar, Meister.«
    Der Kerzenknappe schaute in das graue, runde, arglose Gesicht. Es hatte einen unerschütterlich liebenswürdigen Ausdruck, der sehr befremdlich war, besonders dann, wenn man wusste, was man da vor sich sah. Und Schmiers wusste sehr wohl, was es war, aber ja, doch er wusste nicht, wie man es nannte.
    »Wie heißt du noch mal? Ich kann mich nicht an jeden einzelnen Namen erinnern.«
    »Nutt, Herr Schmiers. Mit Doppel-T.«
    »Glaubst du wirklich, dass das zweite T so viel ausmacht?«
    »Eigentlich nicht, Meister.«
    »Wo ist Trev? Er hat doch heute Nacht Dienst.«
    »Er war sehr krank, Meister. Deshalb hat er mich gebeten, ihn zu vertreten.«
    Der Kerzenknappe grunzte. »Wenn man bei den hohen Herren arbeiten will, muss man adrett aussehen, Nutts!«
    »Nutt, Meister, Entschuldigung. Ich sehe schon seit meiner Geburt nicht adrett aus.«
    »Na ja, wenigstens sieht dich hier niemand«, räumte Schmiers ein. »Also gut, dann folge mir und versuch, weniger … na, versuch einfach, gar nicht auszusehen.«
    »Jawohl, Meister, aber ich denke …«
    »Du wirst nicht fürs Denken bezahlt, junger … Mann.«
    »Ich versuche es zu unterdrücken, Meister.«
    Kurz darauf stand Schmiers vor dem Kaiser. Ein entsprechend beeindruckter Nutt beobachtete ihn.
    Ein Berg aus silbrig grauem Talg füllte die einsame Kreuzung zweier steinerner Korridore beinahe vollständig aus. Die Flamme dieser Kerze, die man gerade noch als aus den Stummeln vieler tausend zuvor heruntergebrannter Kerzen bestehende Mega-Kerze ausmachen konnte, mithin ein zusammengetropftes und geronnenes großes Ganzes, war ein trüber Schein in der Nähe der Decke, viel zu hoch, um irgendetwas auch nur annähernd auszuleuchten.
    Schmiers’ Brust schwoll. Hier befand er sich von Angesicht zu Angesicht mit der Geschichte.
    »Sieh dir das an, Nutts!«
    »Jawohl, Meister. Ich sehe es mir an. Und ich heiße Nutt, Meister.«
    »Zweitausend Jahre schauen von der Spitze dieser Kerze auf uns herab, Nutts. Natürlich schauen sie auf dich weiter herab als auf mich.«
    »Zweifelsohne, Meister. Sehr wohl, Meister.«
    Schmiers starrte in das runde, freundliche Gesicht, doch bis auf eine aalglatte Beflissenheit, die einem beinahe Angst machen konnte, sah er nichts darin.
    Er grunzte kurz, dann klappte er die Leiter auf, wobei er sich lediglich einen Daumen einklemmte, und stieg vorsichtig hinauf, bis es nicht mehr weiterging. Von diesem Basislager aus hatten Generationen von Kerzenknappen Stufen in die zur Scheibenweltmitte gewandte Seite des Riesen geschlagen und sie fortan in Schuss gehalten.
    »Labe deinen Blick daran, mein Junge«, rief er nach unten. Seine grundsätzlich schlechte Laune wurde durch seinen Kontakt mit so etwas Erhabenen ein wenig aufgehellt. »Eines Tages könntest du der … Mann sein, der diesen heiligen Talg erklimmt!«
    Einen Augenblick sah Nutt aus, als würde er sich gerade große Mühe geben, sich die inbrünstige Hoffnung nicht anmerken zu lassen, dass die Zukunft mehr für ihn bereithalten möge als eine große Kerze. Nutt war jung, ihm fehlte noch diese Ehrfurcht vor dem Alter, wie sie vor allem alte Menschen pflegen. Aber sein freudiges Beinahe-Lächeln war sofort wieder da. Es verließ ihn nie für sehr lange.
    »Ganz recht, Meister«, sagte er, denn er wusste, dass er mit diesem Spruch nie ganz falsch lag.
    Es gab so manchen, der behauptete, der Kaiser sei an dem Abend angezündet worden, an dem die UU gegründet wurde, und seither nie wieder ausgegangen. Jedenfalls war der Kaiser riesengroß und stellte ziemlich genau das dar, was man bekommt, wenn man

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