Der Club der unsichtbaren Gelehrten
fragte sie. »Noch nie Ellbogen gesehen?«
»Noch nie welche mit so herrlichen Grübchen, Fräulein Glenda, und noch nie an so fest verschränkten Armen.«
Bis zu diesem Punkt war Glenda noch nie aufgefallen, dass Juliet eine so dreckige Lache hatte, die ihr, wie Glenda inständig hoffte, überhaupt nicht zustand.
»Glenda hat’n Be-Au! Glenda hat’n Be-Au!«
»Es heißt ›Beau‹«, sagte Glenda und schob die Erinnerung daran, dass sie selbst mehrere Jahre gebraucht hatte, um das herauszufinden, ganz weit nach hinten. »Außerdem wollte ich nur behilflich sein. Wir helfen ihm doch, Nutt?«
»Sieht er nicht süß aus, wie er da so liegt?«, fragte Juliet. »Ganz rosig.« Sie strich unbeholfen über Trevs fettige Haare. »Wie ein kleiner Junge!«
»Ja, das hat er schon immer gut gekonnt«, sagte Glenda. »Warum holst du dem kleinen Jungen nicht rasch eine Tasse Tee? Und einen Keks. Aber keinen von den Schokokeksen. Das wird ja ’ne Weile dauern«, sagte sie, als das Mädchen davongeflattert war. »Sie lässt sich so leicht ablenken. Ihr Verstand geht spazieren und amüsiert sich anderswo.«
»Trev hat mir erzählt, dass Sie beide trotz Ihrer reiferen Erscheinung im gleichen Alter sind«, sagte Nutt.
»Du unterhältst dich nicht oft mit Damen, stimmt’s?«
»O je, hab ich schon wieder einen Fauxpas begangen?«, fragte Nutt, der gleich wieder so nervös wurde, dass er ihr schon wieder leidtat.
»Wäre das so ein ›Fauxpas‹ der aussieht, als würde er wie ›Fauks-Pass‹ ausgesprochen?«
»Äh, ja.«
Glenda nickte zufrieden. Schon wieder ein literarisches Rätsel gelöst. »Das Wörtchen ›reif‹ solltest du lieber nicht mehr benutzen, es sei denn, es geht um Käse oder Wein. Bei Frauen kommt es jedenfalls nicht gut an.«
Sie sah ihn an und fragte sich, wie sie ihre nächste Frage anbringen sollte. Sie entschied sich für die gute alte Direktheit; andere Methoden beherrschte sie ohnehin nicht gut.
»Trev ist überzeugt davon, dass du irgendwie gestorben und dann wieder lebendig geworden bist.«
»So habe ich das auch verstanden.«
»So etwas passiert nicht vielen Leuten.«
»Nein, der großen Mehrheit passiert das eher nicht.«
»Wie hast du das gemacht?«
»Keine Ahnung.«
»Zugegeben, es ist schon ziemlich spät, aber du verspürst keinen Appetit auf Blut oder Gehirn, oder?«
»Überhaupt nicht. Ich mag Pasteten. Für den Vorfall mit den Pasteten schäme ich mich sehr. Es wird nicht wieder passieren, Fräulein Glenda. Vermutlich hat mein Körper einfach gemacht, was er wollte. Er brauchte Nahrung, und zwar sofort.«
»Trev hat gesagt, du bist an einem Amboss festgekettet gewesen.«
»Stimmt. Und zwar, weil ich wertlos war. Dann hat man mich vor Ihre Ladyschaft gebracht und sie hat zu mir gesagt: Du bist wertlos, aber, soweit ich glaube, nicht unwürdig, und ich werde dir Wert verleihen.«
»Aber du musst doch Eltern gehabt haben!«
»Keine Ahnung. Es gibt viel, von dem ich nichts weiß. Da ist eine Tür.«
»Was?«
»Eine Tür in meinem Kopf. Manches befindet sich hinter der Tür, von dem ich nichts weiß. Aber das ist in Ordnung so, sagt Ihre Ladyschaft.«
Glenda wollte schon aufgeben. Nutt antwortete auf ihre Fragen, das schon, aber letztendlich stieß man dabei auf immer neue Fragen. Dann machte sie doch weiter. Es war, als stieße man mit dem Messer gegen eine Blechdose, in der Hoffnung, irgendwann einen Weg nach drinnen zu finden. »Deine Ladyschaft ist eine richtige Lady, oder? Mit Schlössern und Dienern und allem Pipapo?«
»Aber ja. Sogar mit einem Pipapo. Sie ist meine Freundin. Und sie ist so reif wie Käse und Wein, denn sie lebt schon sehr lange und ist nicht alt.«
»Aber sie hat dich hierher geschickt. Hat sie dir das beigebracht … das, was du mit Trev gemacht hast?«
Trev bewegte sich ein bisschen.
»Nein«, sagte Nutt. »Ich habe die Worte der Meister ganz allein in der Bibliothek gelesen. Aber sie hat mir gesagt, dass auch die Menschen eine Art lebende Bücher sind und dass ich lernen sollte, in ihnen zu lesen.«
»Na, in Trev hast du offensichtlich gut genug gelesen. Aber lass dir eines gesagt sein: Probier das nicht bei mir, sonst gibt’s keine einzige Pastete mehr!«
»Ja, Fräulein Glenda. Tut mir leid, Fräulein Glenda.«
Sie seufzte. Was ist bloß mit mir los? Sobald sie bekümmert aussehen, tun sie mir leid! Sie hob den Blick. Er betrachtete sie.
»Hör auf damit!«
»Tut mir leid, Fräulein Glenda.«
»Wenigstens bist du mal beim Fußball
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